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          Tisiphone über: 
          Neonazis in Nadelstreifen
          Andrea Röpke, Andreas Speit (Hg.): Neonazis in  Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft, Berlin 2008  (Ch. Links Verlag)
          Suchen Sie einen Lebenspartner?  Dann gehen Sie auf die „nationale Partnerbörse“: „Odins Kontaktanzeigen – von  Patrioten für Patrioten“ (S. 127). Sie dürfen aber als Frau nicht Karriere an  der Spitze machen wollen, dann werden Sie als „Mosaische Levantiner Hexe“ (S.  130) verunglimpft. Oder wollen Sie „Singen und Tanzen für Deutschland“ (156)?  Oder eher einmal die Sau rauslassen mit einer Wehrsportgruppe Wendelstein oder Kopfabhacken  (151) üben im Kinderlager? Wenn Sie erst mal nur reinschauen wollen, dann  können Sie in einem diversen „Werwolfshop“ (198) entsprechende Musik, Texte zur  rechten Weltanschauung und Devotionalien von Nazigrößen kaufen. 
          Doch diese abscheulichen Kuriositäten,  obwohl sie immer noch das Weltbild vieler in der neofaschistischen NPD  bestimmen, täuschen über die neue Strategie der NPD. Sie ist auf dem Weg zur  Mitte der Gesellschaft (9), wie die Hauptthese der Autoren lautet. Einfache  Schläger gerieren sich zu geschulten Ideologen, die Glatzköpfe mit Jeans und  Bomberjacke wandeln sich zu „Neonazis in Nadelstreifen“.  
          Die Herausgeber, die  zugleich auch Autoren sind, dokumentieren in acht Aufsätzen und einer  Einleitung die neue Strategie der NDP. So die antidemokratische Strategie im  demokratischen Gewand, die „Intellektuelle Aufrüstung“, die Geldquellen der  Neonazis, das Frauenbild der Partei und die neue Rolle der Frauen bei der  Parteikosmetik, sie gehen auf soldatische Kindererziehung ein und analysieren  die Rolle der Rechtsrock-Szene. Abschließend untersuchen zwei Autoren die  wachsende rechte Gewalt, die nur scheinbar dem öffentlichen Schmusekurs der  offiziellen Führer widerspricht. Neben den Herausgebern haben an einzelnen  Aufsätzen noch Robert Andreasch, Christian Dornbusch, Jan Raabe und Thomas  Niehoff mitgearbeitet. In einem Personenregister werden alle angesprochenen  großen und kleinen Funktionsträger der NPD sowie ihre Kritiker aufgeführt,  sodass dieses Buch auch als Nachschlagewerk für die antifaschistische Arbeit  einsetzbar ist. 
          Es ist unmöglich ein  solches Buch zu referieren, die zusammengetragenen Fakten können überdies die  Autoren besser präsentieren. Deshalb werde ich einige Aspekte exemplarisch  darstellen und kommentieren, damit der Leser sich von der neuen Strategie der  NPD eine Vorstellung manchen kann.  
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          Die Ideologie 
          Ideologie ist notwendig  falsches Bewusstsein zur Herrschaftssicherung. Sie drängt sich aus der  Wirklichkeit auf („notwendig“), ist nicht einfach Lüge, sondern „Bewusstsein“,  das aber falsch bewertet, interpretiert oder bewusst verdreht wird, um  bestehende oder zu erkämpfende Herrschaft abzusichern. Das ideologische  Hauptmotiv, von dem alle anderen Motive geprägt sind, ist die behauptete  Ungleichheit der Menschen. Menschen sind anthropologisch fähig, sich bewusst  Zwecke zu setzen. Da die Menschen heute in erster Linie durch ihre Kultur (in  der Bedeutung von künstlich Geschaffenem) bestimmt sind, kann es auf Grund  dieser Fähigkeit keine grundlegende Ungleichheit geben.  
          Da die Gesellschaften  nicht mehr primär biologisch bestimmt sind, sondern kulturell, drückt die  Gleichheit der Menschen die Höhe ihrer Kultur aus (in der Monarchie ist nur  einer frei, alle anderen ungleich; in der Aristokratie sind nur die Mitglieder  des Adels gleich an Rechten; in der bürgerlichen Demokratie sind alle  Staatsbürger gleichberechtigt; im Sozialismus sind die Menschen nicht nur  rechtlich, sondern auch ökonomisch gleich). Gleichheit ist kein Naturrecht,  auch nicht die Ungleichheit, sondern historisch erkämpft, und sie muss von der  Gesellschaft bewahrt werden. Die Ideologie der Ungleichheit bei den  Neofaschisten drückt also eine reaktionäre Forderung nach einer bereits  überwundenen kulturellen Stufe aus.  
          Wenn in der  kapitalistischen Gesellschaft gilt: „Ein Kapitalist schlägt viel tot“ (zitiert  nach Marx), dann drängt der allgegenwärtige Konkurrenzkampf dem Bewusstsein die  Vorstellung von der Ungleichheit der Menschen auf: Der Stärkere setzt sich  durch. Die Neofaschisten sprechen nur unbedarft aus, was viele tun und  andere sich denken und nur nicht zu sagen trauen.  
          Die Schlussfolgerungen  aus der These, dass die Menschen grundsätzlich ungleich sind, nicht nur in  ihren individuellen Eigenschaften, sondern in ihrem Wert und Rang und gar dem  Recht, ist der Kampf gegen die Menschenrechte und das Christentum, die dem  Individuum unabhängig von seiner Stärke oder Leistung gleiche Rechte zusprechen  (beim Christentum zumindest gegenüber ihrem Gott). „Insbesondere die Ideen der  Aufklärung und die Ziele der Französischen Revolution waren den ‚Konservativen  Revolutionären’ suspekt. In ihrem Gedankengebäude führte die Hoffnung, dass  alle Menschen gleichwertig seien und gleiche Rechte haben, nur zu Entfremdung  und Niedergang.“ (50)  
          Akzeptiert man diesen  Gedanken der Ungleichheit, den Leute wie der Begründer der objektiven  Werttheorie Max Scheler oder ein Arthur Moeller van den Brucks bereits vor und  in der Zeit der Weimarer Republik anthropologisch legitimiert haben, dann ist  man mitten in der faschistischen Ideologie. „Wer Menschheit sagt, will  betrügen.“ (Carl Schmitt, zitiert nach S. 50) Demokratie und Selbstregierung  des Volkes müssen dann bekämpft werden, denn nur der starke Führer, der sich  durchsetzt, habe ein Recht, das Volk zu führen. Das christliche Dogma, vor Gott  seien alle Menschen gleich, müsse beseitigt werden zu Gunsten einer heidnischen  Religion, die auf der Götterhierarchie und dem Führercharisma basiert. 
          Auch Völker können dann  konsequenterweise nicht gleichrangig sein, also müsse sich das stärkste im  „Krieg der Kulturen“ durchsetzen. Der Widerspruch, der dadurch in Bezug auf den  Vorrang des Deutschtums entsteht, nämlich dass dieses nicht nur den II.  Weltkrieg verloren hat, sondern das Volk auch durch „’postmoderne Auflösung’  durch westliche Werte“ (59) geprägt ist, wird zwar zur Kenntnis genommen, aber  abgetan: Die „ureigenen Traditionen“ des deutschen Volkstums seien „noch nicht  gänzlich zerstört“. Überhaupt sei Krieg ein notwendiges Mittel nicht nur zur  Expansion eines Volkes, sondern auch zur inneren Läuterung und Stärkung der  „Volksgemeinschaft“. Im Kampf der Nationen könne der Einzelne nur ein Geführter  sein, sein Volk aber sei alles. Der Einzelne müsse sich bedingungslos der  Volksgemeinschaft und seiner Führung unterordnen. (55).  
          Nun ruft die NPD nicht  einfach zum Rassen- oder Völkerhass auf - wie es konsequent aus ihrer Ideologie  der Ungleichheit hervorgeht -, das wäre ein Verstoß gegen das Strafgesetzbuch  und würde sie letztlich in die Illegalität treiben. Sie setzt dagegen auf den  „Ethnopluralismus“, „der vorsieht, dass die Welt nach völkischen Kriterien neu  geordnet werden soll“ (51). Sie sagen z. B., wir haben nichts gegen Türken  – solange sie in der Türkei bleiben. „(…) wir sind keine ausländerfeindliche,  sondern eine einwandererfeindliche Partei.“ (54)  
          Der Holocaust wird nicht  eigentlich geleugnet (was strafbar wäre), sondern man vertritt eine „offensive  Haltung“, indem man von „Moralkeule“ spricht, Geschichtsrevisionismus  propagiert und sagt, dass die Erinnerung an die Verbrechen der  „Nationalsozialisten“ das nationale Selbstwertgefühl und die deutsche Identität  beschädigt hätten. „Auschwitz als Staatsräson, mahnte 2005 der Chefredakteur  der ‚Jungen Freiheit’, Dieter Stein, und kritisierte eine ‚monströse Anrufung’  einer ‚eindimensionalen geschichtlichen Fixierung’.“ (58)   
          Mit der These von der  Ungleichheit der Menschen, die meist noch biologistisch scheinbegründet wird,  legitimieren also die Neofaschisten die Abwertung des Einzelnen zugunsten der  „Volksgemeinschaft“. Sie begründen damit  das Führerprinzip, die Ausländerfeindlichkeit und den  Fremdenhass, den Kampf der Kulturen und den Krieg als ewige Notwendigkeit der  Geschichte. 
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          Die neue Strategie 
          Da die NPD bestimmte Thesen  nicht offen propagieren kann, muss sie diese in neudeutsche Formulierungen  verpacken, um legal zu bleiben und zur Mitte der Gesellschaft durchzudringen.  
          Die neue Strategie der  NPD besteht vor allem darin, dass sie sich von ihrem Schmuddel-Images (116) aus  Altnazis und Schlägertruppe entfernen will, obwohl sie mit den „freien  Kameradschaften“ als Schlägertruppe zusammenarbeitet, dass sie eine kommunale  Verankerung anstrebt, dass sie über jugendtypische Kleidung und Musik junge  Leute ködern will, dass sie sozialpolitische Themen wie Hartz IV-Armut  aufgreift und dass sie intellektuell in die Offensive zu gehen versucht.  
          Die NPD will sich zum  „Gravitationsfeld der rechten Szene“ entwickeln (7). Mit dieser Sammlung  rechter Kräfte will sie „in die Mitte der Gesellschaft“ eindringen. Sie kann  sich dabei auf Umfragen stützen, die z. B. unter 13,9 % der Schüler die  Meinung belegen, dass die Juden „nicht unschuldig“ gewesen seien, oder dass  31,9 % der Jugendlichen beklagen, nur die negativen Seiten des NS-Regimes in  der Schule genannt zu bekommen. 
          Soziale Themen werden zu  Schwerpunktthemen der NPD, weil viele Menschen durch die neoliberalen Reformen  von Verarmung bedroht sind. Bewusst werden Slogans der Gewerkschaften  aufgegriffen, aber die Alternative ist dann immer nur die unverbindliche  Formel: „Sozial geht nur national“ (85). Worum es den Neofaschisten in der  Sozialpolitik geht, hat Udo Pastörs im Schweriner Landtag ausgesprochen: „Sie  sprechen“, so wendet er sich an die Abgeordneten der anderen Parteien, „von der  Unterstützung benachteiligter Menschen“, doch „unser erstes Augenmerk hat dem  Gesunden und Starken zu gelten“ (27). 
          Man inszeniert Kampagnen,  gibt sich „bürgernah, jugendgemäß und kindsfreundlich“, richtet eine „nationale  Bewerbungshilfe Oberpfalz“ (81) ein, propagiert „Opferschutz statt Täterschutz“  (80), greift rechte Ressentiments auf, man will die Wähler „dort abholen, wo  sie stehen“ (88) und pflegt Brauchtum und Sitte, fordert „getrennte  Schulklassen für Deutsche und Ausländer“ (85) und ist insgesamt „bestrebt, den  Schein zu wahren“. 
          Doch werden die  kriminellen Methoden des Neofaschismus nicht verachtet, manchmal arbeitsteilig  den „freien Kameradschaften“ überlassen, die man auch zum Wahlkampf  mobilisieren kann, obwohl sie nicht der Partei unterstehen. Zu diesen  kriminellen Methoden gehören das Ausspionieren von Linken und Antifaschisten  und deren Bedrohung mit Sachbeschädigung und Übergriffen auf die Personen, das  Einrichten sogenannter „national befreiter Zonen“ oder No-go-Areas. „Anfang der  90er Jahre entwickelten Neonazis das Konzept der sogenannten national befreiten  Zonen. Sie wollten Gebiete besetzen, in denen sie Dominanz ausüben und  Ausländer, Obdachlose oder Andersdenkende nicht geduldet werden.“ (184) 
          Des Weiteren gehört dazu  die Hetze und Verunglimpfung Andersdenkender in Internetforen oder Videofilmen.  Der „gelenkte Mob“ (178 f.) verprügelt oder mordet gar, zerstört Läden von  Ausländern oder zündet Asylbewerberheime an.  
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          Die „deutschen Frauen“ und die NPD 
          Aufgabe der Frauen ist es  nach dem NPD-Biologismus, für die Erhaltung des deutschen Volks, „der eigenen  Art“ (119), zu sorgen, also Kinder zu gebären und großzuziehen.  „Neonazistischer Ideologie entsprechend sind Männer und Frauen gleichwertig,  aber nicht gleichrangig.“ (118)  
            Die neofaschistischen  Frauen übernehmen das Feindbild ihrer Männer: „Feminismus und Emanzipation sind  für sie Merkmale verhasster ‚BRD-Umerziehung’.“ (119) Sie wenden sich gegen  „Gleichmacherei“, das heißt, sie treten für eine klare Rollentrennung ein: Sie  sollen „Kampfgefährtinnen der Männer“ (119) sein, sich um die Familie kümmern  und bei der politischen Arbeit die Helferin spielen.  
          Durch die neue Strategie  der Partei hat sich auch diese Rollenverteilung, die jedoch noch immer gilt, modifiziert. Man schätzt die Frauen  heute mehr als Vermittler nach außen. „Heikle politische Themen werden von den  Frauen im Wahlkampf oft nicht offen angeschnitten. Meistens gelingt es zunächst  über ihre Kinder, sich unauffällig ins Gemeindeleben einzubringen. Mal ein  kurzes Gespräch über Erziehung, Kochrezepte oder einen Tipp bei Krankheiten –  schon denken viele offenbar: ‚Nette Frau’. Bei Judith Rothe ging diese  Strategie im April 2007 mit einem Mandatsgewinn auf. Sie erhielt in ihrem  Heimatwahlkreis 15 Prozent der Stimmen. Nationalistische Frauen als  Politikerinnen – dahinter steckt parteipolitische Absicht. Manch ein  NPD-Funktionär hat gelernt, dass bullige Skinheads als NPD-Politiker  bürgerliche Sympathisanten meist verschrecken. Da kommt das Bild von der  friedfertigen, politisch aktiven Mutter bei der Bevölkerung schon viel besser  an.“ (120 f.) 
          So werden die NPD-Frauen  regelmäßig geschult, etwa was sie zu den Konzentrationslagern sagen sollen, und  vor allem hat die Partei eine eigene Frauenorganisation geschaffen, den „Ring  Nationaler Frauen“ (RNF). Der Anteil der Frauen in der NPD schwankt zwischen 10  und 30% je nach Bundesland. Stolz verweist die RNF-Chefin Schüßler auf das  Potenzial dieser Frauen: 
          „’Es gibt genug  intelligente und gut ausgebildete Frauen’, sagt sie, ‚die national denken und  sich unserer Partei verbunden fühlen. Wie kann es dann sein, dass der Großteil  unserer Mandatsträger Männer sind?’“ (114 f.) Aber in die Führungsgremien der  Partei gelangen sie kaum, auch in den Parlamenten, in denen NPD-Abgeordnete sitzen,  kommen sie kaum vor. Wenn eine Frau selbstbewusst in der Parteihierarchie  aufsteigen will, wird sie auch schon mal gemoppt (vgl. S. 131).  
          „Das Motto der  Neonazi-Frauen lautet: ‚Wir richten unser ganzes Leben auf das deutsche Volk  aus!’ Individualität und persönliche Ansprüche stören dabei nur. Deshalb sind  die Frauen auch nicht verstimmt, wenn der NPD-Fraktionschef in  Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, sich nach einem gewonnenen, gemeinsamen  Wahlkampf bei seinen Helferinnen bevorzugt für das ‚Wäschewaschen für die  Kameraden’ bedankt.“ (123) 
          Noch schlimmer ergeht es  den jungen Mädchen in ländlichen Gebieten, wo die NPD dominiert. Aus Mangel an  Alternativen schließen sie sich den jungen Neofaschisten an und werden sexuell  herumgereicht und, wenn sie sich wehren oder aussteigen wollen, werden sie  gedemütigt und z. B. herablassend „Vagina“ genannt. (117) Die Gewalt gegen  Frauen in den eigenen Reihen ist aber ein Tabu, die Angst der Mädchen wird auf  ausländische Männer projiziert.  
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          Erziehungsziele und Einfluss auf Kinder 
          Die Ideologie von der  grundlegenden Ungleichheit der Menschen muss sich auch in den Erziehungszielen  zeigen, die in den Kinderlagern, Jugendorganisationen und in den Familien der  Anhänger auch exerziert werden. Diese Ideologie führt zur autoritären  Erziehung, die auf Gleichschaltung in einer eingebildeten Volksgemeinschaft  abzielt. Die Neofaschisten nennen das „Sodatische Kindererziehung“.  
          Im Einzelnen gehören zu  diesen Zielen: Das „Volksbewusstsein“ zu formen, eine nationale „Weltanschauung“  zu vermitteln, sich an den „Idealen der soldatischen Erziehung auszurichten, d.  h. Disziplin, das Prinzip von Befehl und Gehorsam. „’Wir verachten den  schwächlichen, erniedrigenden Pazifismus’, heißt es in der Selbstdarstellung,  ‚ihm stellen wir ein stolzes und wehrhaftes Mannestum entgegen!’“ (134)  „Die Kinder sollen abgehärtet werden.“ Es  gilt der Grundsatz: „Wo keine Führung, da keine Gemeinschaft, da keine  Erziehung.“ (134) Das „Gemeingut vor Eigennutz geht“, ist ebenfalls Prinzip, doch  was Gemeinnutz ist, bestimmt die Organisation oder ihr Führer. Es werden Mut-  und Messerproben, Geländespiele und Orientierungsmärsche in den Kamps der Parteijugend  veranstaltet, auch Luftgewehrschießen und militärisches Heldengedenken (134).  
          „HDJ(Heimattreue Deutsche  Jugend)-Kinder werden aufgefordert, in der Schule offen die Konfrontation zu  suchen und Gegenpositionen zu vertreten. Sie sollen Lehrer und Mitschüler mit  Gegenfragen ‚aus der Reserve locken’ und so aus ‚speziellen Themen  Grundsatzdiskussionen’ machen. Toleranz gilt bei den Neonazi-Erziehern als ein  Begriff für ‚Feige, Schwache und Menschen ohne wirkliche Überzeugungen’.“ (145)  Ansonsten gelten Zucht und Sitte wie im „Dritten Reich“.  
          Da diese Prinzipien auch  in den Familien eingefleischter Neofaschisten exekutiert werden, kann man das  Resultat an deren Kindern beobachten. „’Die Kinder sollen gehorchen und  funktionieren’“, erzählt eine junge Frau, die ausgestiegen ist. „Auch  ‚körperliche Züchtigungen’ hat Kirsten T. kennengelernt. ‚Es war schwer zu  ertragen’, sagt sie heute.“  
     „Martina B. erging es ähnlich, auch sie  empfand die Kindererziehung der Neonazis als furchteinflößend. Die Frau  mittleren Alters hatte eine Zeitlang Zugang zu einem Teil der Neonazi-Szene im  sogenannten Mitteldeutschland. Ihr fiel auf, dass die Kinder der Neonazis  ‚regelrecht abgerichtet’ wirkten. ‚Es wurde nicht getobt und kaum gelacht’,  erinnert sie sich. Jedes Wochenende sei mit politischen Treffen oder  Brauchtumsfesten verplant gewesen. Oft hätten die größeren Kinder nur müde und  matt herumgesessen. Mit kleineren Kindern zu spielen werde abgelehnt, vor allem  von den Vätern. ‚Die Kinder sollen nicht verweichlicht werden’, erklärt Marina  B. die zweifelhaften Erziehungsmethoden ihrer ehemaligen Kameraden.“ (126) 
          Bedenkt man, dass solch  eine Erziehung in mehreren Generationen eine Tradition entwickelt, dann kann  man an dem, was in der neofaschistischen Parallelgesellschaft praktiziert wird,  erkennen, was den Menschen blüht, wenn dieses Pack einmal Macht haben sollte. 
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          Rechtsrock 
          Ein Grund für die  jüngsten Erfolge in einigen ostdeutschen Parlamenten ist wohl auch der  Schulterschluss der NPD mit der Rechtsrock-Szene. Seit die NPD nicht mehr  hauptsächlich eine Altherrenriege von Unverbesserlichen ist, seit Udo Voigt  1996 die Partei modernisieren und professionalisieren (8) konnte und ihren Imagewandel  vollzogen hat, ist Rockmusik keine dekadente Negermusik mehr, sondern wird  gezielt eingesetzt, um Veranstaltungen aufzupeppen und Jugendliche zu ködern.  Der Erfolg zeigte sich z. B. in Sachsen, wo 16 Prozent der 18- bis  24-Jährigen die NPD gewählt haben (156).  
          Hasslieder werden vor  Schulen verteilt, Rockgruppen propagieren neofaschistische Ideologie bis hin zu  kriminellen Texten, etwa wenn die Tötung von mongoloiden Kindern gefordert  wird. Nationale Barden tingeln durchs Land und veranstalten z. T. illegale  Konzerte oder veröffentlichen CDs, die „geschickt die Klippen des  Strafgesetzbruchs umschiffen“ (159). Insgesamt soll es 180 Rechtsrock Bands und  20 Liedermacher geben.  
          Der Umsatz und Gewinn ist  groß und steigt weiter. Teilweise landen die Einnahmen in den Kassen der NPD.  Doch da der Gewinn lockt, scheuen sich einige Produzenten von CDs und  Devotionalien auch nicht, das Geschäft mit rechter Ideologie allein zu machen.  Zur Probe ein Textauszug aus einem Videoclip der rechten Band „Stahlgewitter“,  darin singt diese über die Waffen-SS: „Ewige Treue hatten sie geschworen, immer  bereit, für Deutschland zu sterben. Den Feinden brachten sie Not und Verderben.  (...) Idealisten kämpfen doppelt so gut! (…) Ruhm und Ehre der Waffen-SS.“(165)  Die Autoren dieses Kapitels schreiben dazu: „Mit modernsten Medien soll  Jugendlichen so heute diese verbrecherische NS-Organisation nahegebracht  werden.“ 
           
          Geldquellen 
          Die NPD speist ihre  Finanzen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden von Sympathisanten, darunter viele  Kleinunternehmer, vor allem aber aus staatlichen Geldern, die ihnen zustehen,  wenn sie mehr als 1% der Stimmen bei Wahlen bekommen oder in die Parlamente  einziehen. Die Mitgliederzahl ist zwar durch den neuen Kurs gestiegen und  steigt immer noch, aber dennoch ist sie nicht mit den großen Parteien  vergleichbar. Unregelmäßigkeiten haben zudem zu Rückzahlungen an die  Bundeskasse geführt. Die NPD kann deshalb nicht so Wahlkampf betreiben, wie sie  das möchte. Sie ist auch personell dünn bestückt und ist deshalb auf die  Mitarbeit der selbstständig agierenden „freien Kameradschaften“ und ähnlicher  Grüppchen angewiesen. Andererseits gibt es einige reiche Leute, die als  verbohrte „Neonazis“ ihr Vermögen einsetzen, um z. B. Schulungskurse einzurichten  und Räumlichkeiten bereitzustellen.  
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          Gewalt 
          Gewalt ist ein integraler  Bestandteil einer differenzierten Eigentums- und Klassengesellschaft. Nicht nur  die drei Staatsgewalten, Legislative, Exekutive und Judikative, üben Gewalt  aus, auch z. B. Lehrer mit ihrer Zensurengebung, alle Auslesemechanismen  oder die Mechanismen, die Menschen in Armut treiben üben Gewalt aus. Auch die  Ausbeutung der Lohnabhängigen beruht auf der Gewalt des Eigentumsrechts. Diese  kapitalistischen Gewaltverhältnisse führen vor allem bei ihren Verlierern zu  Frustrationen, die dann auch in nicht-legale Arten von Gewalt umschlagen. Es  ist deshalb nicht verwunderlich, dass der gewaltbereite „Neonazi“-Sumpf mit dem  Grad der Bildung korreliert. Die Verlierer der kapitalistischen  Konkurrenzgesellschaft geben ihren Frust Ausdruck, indem sie diese, das  „System“, bekämpfen. Da sie aber ungebildet sind, richten sie ihren Frust nicht  gegen die Ursachen ihrer Misere, sondern lassen sich von den rechten Führern  und Intellektuellen funktionalisieren oder doch die falschen Ziele vorgeben. Entsprechend  ihrer Ideologie ist auch bei ihren politischen Führern Gewalt ein bewährtes  Mittel der politischen Auseinandersetzung. 
          Der z. T. gewaltsame  Antikapitalismus der Neofaschisten ist nur die Privilegierung einer anderen Art  des Kapitalismus, nämlich des nationalen, ohne an den Wurzeln dieser  Produktionsweise Kritik zu üben. Im Gegenteil, wie schon in den Zwanziger  Jahren die NSDAP überproportional von Kleinbürgern und Kleinunternehmern  unterstützt wurde, so heute die NPD wieder von einigen Unverbesserlichen aus  dieser Klassenfraktion.  
          Von diesen Zusammenhängen  liest man leider wenig in diesem Buch, stattdessen werden Fälle auf Fälle von  Gewalttaten beschrieben, die man oft schon aus der Zeitung kennt. Lediglich die  psychologischen Ursachen rechter Gewalt werden thematisiert. „Die Gewalt, so  Kohlstruck, ist einerseits eine Form aggressiver Selbstdarstellung und  andererseits Ausdruck einer politischen Haltung. Gewalt wird in diesem Milieu  zum politischen Mittel, ideologisch legitimiert und praktisch verübt. Das  Täterspektrum reicht, so betont Kohlstruck, ‚vom einfachen Schläger bis zum  geschulten Ideologen’.“ (199) 
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          Kritik 
          Die Aufsätze sind flott  geschrieben und gut lesbar. Durchgängig wird aber der Begriff „Neonazi“,  „neonazistisch“ oder „Nazis“ verwendet. Das aber ist eine Selbstbezeichnung  dieser Gruppierung, ein Propagandaname. Zwar ist das heutiger Sprachgebrauch,  doch ist dieser problematisch. Zwar will man eine Parallele zwischen NSDAP und  NPD andeuten, doch diese kann nicht darin bestehen, die Selbstdarstellung  dieser Partei unkritisch zu übernehmen. Zwar benutzen vor allem bürgerliche  Historiker die Bezeichnung „Nationalsozialisten“, aber um damit den Begriff  „Sozialismus“ zu denunzieren. Die „Nationalsozialisten“ waren nicht national,  denn sie haben ihr Deutschland kaputt gemacht, und sie waren keine Sozialisten,  denn sie dienten dem deutschen Großkapital bei seinen Weltmachtplänen, nicht  aber irgendeiner Form von Sozialismus. Diese Rezension verwendet deshalb  überwiegend den Begriff „Neofaschisten“. 
          Das Buch ist faktenreich,  ein Who is Who? der braunen Szene.  Die Autoren haben sich schon lange mit der NPD und den verwandten  Organisationen beschäftigt. Sie zeigen die neue Strategie mit vielen Details  auf. Aber die Analyse kommt etwas zu kurz. Zwar werden soziologische Studien  zitiert, etwa Heitmeiers Untersuchungen oder die der Friedrich-Ebert-Stiftung,  aber dieser Aspekt bleibt unterbelichtet. Vergleicht man dieses Werk etwa mit dem  Buch von Peter Brückner (siehe in dieser Ausgabe der Erinnyen), dann fällt der  Unterschied besonders krass auf. Dennoch sollte dieses detailreiche Buch in  keinem antifaschistischen Bücherschrank fehlen. 
            Tisiphone 
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