Artikel drucken Erinnyen Aktuell    16.06.2008
 

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Von Erinnyen Nr. 19  veröffentlicht im Juni   2008

Wissenschaftliche Arbeit

Bodo Gaßmann

Kritik der „Lebenskunst“

Illusionärer Eudämonismus im falschen Ganzen

oder
provisorisches Glück in der praktischen Gesellschaftskritik?

„Das einzige, was man vielleicht sagen kann, ist, daß das richtige Leben heute in der Gestalt des Widerstandes gegen die von dem fortgeschrittensten Bewußtsein durchschauten, kritisch aufgelösten Formen eines falschen Lebens bestünde.“ (Adorno) (1)

„(…) so entspringt der absichtsvolle Widerspruch aus jenem moralisch schlechten Willen, der böse heißt.“ (Höffe, S. 328 (2))

 

Inhalt

1.    Einleitung: Was ist Lebenskunst?

2.    Der freie Wille und die Lebenskunst

3.    Universales Moralgesetz in der antagonistischen Gesellschaft?

4.    Der Idealismus der Lebenskunst und der Moralphilosophie von Höffe

4.a  Idealismus und Materialismus in der Ethik allgemein

4.b  Kritik der idealistischen Lebenskunst und Moralphilosophie von Höffe

5.    Die entscheidende Differenz: Affirmation oder Negation

6.    Anthropologie in ideologischer Absicht

7.    Zur Geschichte der Lebenskunst als Kunst der Herrschenden

8.    Kritik der Dichotomie von Ökonomie („Systemwelt“) und Lebenswelt

9.    Die Glückslehre (Eudaimonismus) bei Höffe

10.  Kritik der Tugendlehre

11.  Kritik der abstrakten Negation der moralischen Erkenntnis im Positivismus

12.  Was wahre Lebenskunst sein könnte!

Literatur zur Lebenskunst
Anmerkungen

 

Dieser Aufsatz bezieht sich schwerpunktmäßig auf das Buch von Otfried Höffe: Lebenskunst und Moral oder Macht Tugend glücklich? München 2007 (2). Einbezogen sind aber auch andere Werke der sogenannten Lebenskunst (siehe Literatur), er ist insofern eine generelle Kritik an der Lebenskunst.

1.    Einleitung: Was ist Lebenskunst?

Jeder Mensch lebt nur einmal. Die Unsterblichkeit der Seele, gar die Auferstehung des Leibes ist religiöse Propaganda, die allem widerspricht, was die Menschheit heute weiß. Deshalb ist es legitim zu fragen, was will ich aus meinem Leben machen, solange ich auf der Erde wandle. Die exoterische philosophische Richtung der „Lebenskunst“ will darauf eine Antwort geben. Sie ist keine Moralphilosophie, die Imperative geben will oder an das Gewissen appelliert, sondern sie will Konsequenzen aufzeigen, die aus bestimmten Handlungen folgen, uns ein Selbstbewusstsein über unsere Handlungen vermitteln und „Ratschläge“ fürs Leben geben.

Wilhelm Schmid, der die Lebenskunst in Deutschland populär gemacht hat, definiert sie so: „Unter Lebenskunst wird grundsätzlich die Möglichkeit und die Anstrengung verstanden, das Leben auf reflektierte Weise zu führen und es nicht unbewusst einfach nur dahingehen zu lassen.“ (Schmid, Lebenskunst, S. 10, Hervorhebungen von mit)

Dazu ist ein Reflexionsvermögen nötig, das die Erfahrungen der Menschheit in sich aufgenommen und verallgemeinert hat – die Philosophie. Da aber jede historische Situation anders ist, könne die Philosophie keine Imperative geben. Sie „leitet zu dieser Reflektiertheit an – nicht etwa präskriptiv, mit einer Anweisung zum guten Leben, sondern mit einer Auseinanderlegung all dessen, was für eine Lebensführung überhaupt von Bedeutung ist, optativ, Möglichkeiten eröffnend. In diesem Sinne leistet sie in der Tat das, was manche erhoffen, andere befürchten: Lebenshilfe.“ (A. a. O.) Da es keine stringente Ableitung von der Regel oder Erfahrung auf das konkrete Tun gibt, muss die Lebenshilfe Kunst sein, d. h. ein schöpferisches und spontanes Moment berücksichtigen, so wie die Kampfkunst oder die Kunst, ein Musikstück interpretierend zu spielen. Deshalb bewegt sich die Philosophie der Lebenskunst auf einer mittleren Ebene der Abstraktion zwischen einer abzulehnenden Sollens- oder Pflichtmoral einerseits und konkreten Handlungen in einer Situation andererseits. „Sie bemüht sich darum, die Lebenskunst zum Begriff zu machen, das Material zu erarbeiten und die Methoden zu erschließen, die es dem Einzelnen in den verschiedensten Situationen ermöglichen, sein Leben zu verstehen und seine eigene Wahl zu treffen.“ (A. a. O.)

Die Lebenskunst hat den Anspruch „für die Individuen eine existenzielle, keine luxuriöse Bedeutung (A. a. O., S. 12) zu haben. Da dieser Anspruch uferlos ist, „die Fülle des Lebens in ihrer ganzen Spannweite“ soll mittels Lebenskunst erfahren werden (a. a. O., S. 13), beschränke ich mich auf den Aspekt des Eudämonismus, also der Frage, wie die Lebenskunst die Menschen zur Glückseligkeit verhelfen kann. Dieser Anspruch ist schon im Titel von Höffes Buch formuliert.

Nach Ansicht ihrer Kritiker (Kritik der Lebenskunst S. 14) ist die „Lebenskunst“ die heutige Gestalt der Moralphilosophie. Sie geht auf Foucault zurück, wurde durch die Bücher von Wilhelm Schmid weit verbreitet und hat auch die konservative Moralphilosophie auf den Plan gerufen, die sich einmal an diesen „postmodernen“ Trend anhängen will, indem sie ihn zugleich durch eine obsolete Tugendlehre zu zähmen versucht. Zur Tugendlehre gehört das Buch von Höffe, der sowohl in der „Kritik der Lebenskunst“ einen Aufsatz veröffentlicht hat, wie er selbst ein Werk zur Lebenskunst erscheinen lässt. Dieses Buch von Höffe ist deshalb am besten geeignet, sich mit diesem neuen Trend der bürgerlichen Philosophie und Geisteswissenschaft auseinanderzusetzen.

Höffe macht einen Versuch „in Fundamentalethik“ (S. 10), der seinen Lesern im netten Plauderton eine „Grundlegende Orientierung“ (Klappentext) geben will, ohne „Rezepte“ anzubieten. (Was ihn im Verlauf des Buches nicht hindert, es in penetranter Weise doch zu tun.) Höffe ist neben seiner Professur für Philosophie zugleich Leiter der Forschungsstelle Politische Philosophie an der Universität Tübingen. Er sieht seine Lebenskunst universalistisch. „Das Nachdenken über Lebenskunst und Moral mündet wie von selbst in einen interkulturellen Diskurs.“ (S. 9)

Ich nehme dieses Werk, dass zugleich die bürgerliche Ethik und Moralphilosophie zusammenfasst, zum Anlass, um diese Position der „Lebenskunst“ (oder diese Positionen) mit unserem Konzept einer materialistischen Ethik und einer sozialistischen Moral des Widerstandes (3) zu konfrontieren. Der entscheidende Unterschied wird schon in der Einleitung deutlich. Höffe will Fragen stellen und nach einer Antwort suchen, „die sich im gewöhnlichen Leben bewährt“ (S. 9). Höffe bezieht sich also affirmativ auf die gesellschaftlichen Verhältnisse oder die Lebenswelt oder das gewöhnliche Leben, weil er moralisches Handeln für möglich hält. – Unsere Konzeption materialistischer Ethik bezieht sich kritisch auf die bestehenden Verhältnisse, weil wir moralisches Handeln gesamtgesellschaftlich in der Gegenwart nicht für bestimmend halten.

Gemeinsam ist beiden Konzepten, dass sie moralisches Handeln als wünschenswert ansehen, weil es Gewalt ersetzen könnte. Ob aber Moral Gewalt ersetzen kann, ist nicht in erster Linie eine Frage der Moral selbst, sondern der gesellschaftlichen Verhältnisse. Sind diese in ihrer Struktur gewaltförmig, wie wir aus der Marxschen Analyse der kapitalistischen Gesellschaften allgemein entnehmen, dann muss eine Moral, die ein gutes Leben im falschen Ganzen propagiert oder für möglich hält, wie die Lebenskunst von Foucault, Schmid und Höffe, diese gewaltförmigen Verhältnisse verschleiern und damit der Gewalt dienen, die sie durch Moral zu ersetzen meint. Wir dagegen sehen in der Moralphilosophie aus der Zeit der klassischen bürgerlichen Philosophie einen Überschuss, der trotz aller ideologischen Momente einen Maßstab der Kritik an den bestehenden Verhältnissen abgibt, weil er die besseren realen Möglichkeiten darstellt – allerdings erst jenseits der Klassengesellschaft. Dies unterscheidet uns auch von einer Negation aller Moral, wie sie im Positivismus der Kritiker der Lebenskunst erscheint.

2.    Der freien Wille und die Lebenskunst

Lebenskunst setzt die Handlungsautonomie des Individuums voraus, das Leben selbst zu gestalten. Lebenskunst impliziert die Spontaneität des Individuums und seine Willensfreiheit.

Heute wird die Willensfreiheit vor allem von einigen Hirnforschern bestritten. Dagegen argumentiert Höffe mit überzeugenden Argumenten (vgl. Kapitel 19.2 f., S. 252 – 261). Der angeblichen Determination des Menschen durch das Gehirn widerspricht die wissenschaftliche Arbeit der Hirnforschung selbst, die nicht ohne Freiheit der Reflexion denkbar ist. Die moralische Freiheit des Menschen ist auf geistige Gründe angewiesen, die durch verallgemeinerte Erfahrungen, also Überzeitliches, bestimmt sind, während die Hirnforschung es nur mit unmittelbar zeitlichen Abfolgen zu tun hat. Die Hirnforscher begehen also einen Kategorienfehler. Gegen Schlussfolgerungen aus den Libet-Experiment wendet er ein, dass dieses gar nicht Willensfreiheit untersuche, sondern nur Willkür, dass die Interpretation das Entscheidende ist, also die Auswahl aus mehreren Deutungsmöglichkeiten, also einen freien Willen immer schon bei den Forschern voraussetze, der doch von einigen durch das Experiment als widerlegt angesehen wird. Letztlich laufe die apodiktische Propagierung ungesicherter Deutungen auf „intellektuellen Betrug“ hinaus, usw. usf. (S. 246 ff.)

Nichtsdestotrotz weist Höffe die Autonomie und Willensfreiheit, bevor er sie verteidigt, vorsorglich in nicht einsehbar Schranken: „Ohnehin ist der Mensch außerstande, die mannigfaltigen Bedingungen persönlicher, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Natur schlicht beiseite zu legen. Aus dem Nichts neu anzufangen ist ihm verwehrt. Weder besteht die Willensfreiheit im Verzicht auf Vitalität, Sensibilität und soziale Orientierungen, noch schlägt sich eine ‚lautere’ Moral grundsätzlich auf die Seite von Lebensflucht, Traditions- und Geschichtslosigkeit und Kritik gewachsener Lebensformen.“ (S. 226, Hervorhebungen von mir) Aus absurden Unterstellungen heraus wird die Willensfreiheit – ex cathedra - auf die Immanenz des kapitalistischen Systems, der gewachsenen Lebensform, beschränkt, einen Willen zur Veränderung aus autonomen Denken heraus kann es nicht geben.

Setzt man die von Höffe nicht favorisierte Variante des kategorischen Imperativs als Gesetz der Autonomie ein, nach der ein Mensch immer auch als Selbstzweck zu behandeln ist, dann zeigt sich die große Diskrepanz zwischen dem Anspruch Höffes auf Moralität und den gesellschaftlichen Verhältnissen. (Siehe nächstes Kapitel.)

Wäre Höffe redlich entsprechend seiner Tugendlehre, dann müsste er auf die Veränderung dieser „Bedingungen“, die „nicht das Gewicht von unabänderlichen Fakten“ (S. 207) haben, als praktische Konsequenz seines moralischen Anspruchs dringen. Tatsächliche jedoch reduziert er diesen Anspruch oder unterschlägt das kritische Potenzial der Kantischen Moralphilosophie, um es affirmativ zu neutralisieren. Betreibt man Moral als Lebenskunst, dann wird eine Gesellschaft unterstellt, die Ansprüche des autonomen moralischen Denkens nicht nur zufällig und ephemer, sondern durchgängig und prinzipiell erfüllt.

Auch der Wille eines Sklaven, hörigen Bauern und Lohnarbeiters ist frei, insofern sie ihn bei der Arbeit betätigen, ihren technisch praktischen freien Willen einsetzen müssen. Zur Lebenskunst gehört aber ein freier Wille, der nicht nur technisch praktisch ist, sondern auch die Ziele des Handelns bestimmt. Und wenn zur Lebenskunst auch Moral gehört, wie Höffe u. a. meinen, dann muss der Willensakt moralisch praktisch frei sein, d. h. die Ziele und Zwecke setzen und die Mittel dazu abwägen können.

Nun gestehen alle Autoren der Lebenskunst zu, dass ein Handeln im Sinne der Lebenskunst und des Glücks auch misslingen kann, ja das Gegenteil von dem eintreten kann, was man mit seinem Handeln intendiert hat. Höffe erfindet sogar eine neue Tugend, die „ein schöpferisches Verhalten böser Widerfahrnisse“ (S. 172) sein soll. Ein moralisch gutes Handeln kann Nachteile mit sich bringen: Wer moralisch verwerflich handelt, hat oft einen größeren Erfolg als umgekehrt. (Im Christentum ist dieses Problem als Theodizee erörtert worden – so bei Leibniz.)

Ob diese Hindernisse der Lebenskunst, des Strebens nach Glück und des moralischen Handelns nun prinzipieller Art sind oder nur auf die Zufälle des Lebens von Einzelnen zurückgehen, kann nur eine Analyse der Gesellschaft entscheiden.

Individuen sind nicht nur vernunftbegabter Geist, der ihr moralisches Handeln bestimmen könnte, sondern haben einen Körper, Emotionen, sind in vielfältige Beziehungen eingebettet, müssen sich mit ihrer natürlichen und sozialen Umwelt auseinandersetzen usw. – kurz: sie sind immer auch dem Zufall und heterogenen Bedingungen ausgesetzt, über die sie nicht verfügen können (vgl. S. 207). Dieser Sachverhalt rechtfertigt keine prinzipielle Ablehnung von moralischen Handlungsprinzipien und Ratschlägen der Lebenskunst, jedenfalls solange keine anderen prinzipiellen Hindernisse diesen Anweisungen entgegenstehen.

Ein unbefangener Blick auf die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft zeigt jedoch die prinzipielle Unmöglichkeit auf, seinen freien Willen nach selbst gewählten Zwecken zu betätigen.

Ca. 90 % der Erwerbstätigen sind Lohnabhängige (mit ihren Angehörigen ca. 90 % der Bevölkerung), die in dem wesentlichen Teil ihres Lebens, der ökonomischen Sicherung ihrer Existenz durch Lohnarbeit, fremdbestimmt sind. Die lohnabhängige Arbeit bestimmt auch die Freizeit der Arbeitenden (siehe unten, Eudämonismus). Der Lohnabhängige wird entwöhnt, seinen freien Willen nach selbst gewählten vernünftigen Zwecken zu betätigen – Lebenskunst wird prinzipiell nach den sozialen Verhältnissen und der vorherrschenden sozialen Psyche verunmöglicht. Der abhängig Beschäftigte kann nur technisch praktisch wie im Betrieb wählen, auch in seiner Freizeit meist nur zwischen Surrogaten entscheiden. Prinzipiell gilt dies auch von den Selbstständigen und Kapitaleignern, da sie von den Zufällen und Schleudertendenzen der Konjunktur abhängen und ebenfalls einer ideologisierten Freizeitindustrie ausgeliefert sind.  

Genau auf diese reduzierte Lebenskunst, die dann keine mehr ist, sondern Hilfe, seine Arbeitskraft fürs Kapital oder als Unternehmer für seinen Profit zu erhalten, zielen die Ratschläge von Höffe und anderen. Dies widerspricht aber dem Anspruch, philosophische Reflexion der Lebenskunst zu sein. Denn Philosophie ist immer auch Totalitätswissenschaft und kann sich nicht mit einer partikularen Reflexion begnügen oder sich der dogmatisch vorausgesetzten Gesellschaft (quasi als Naturgegebenheit) unreflektiert unterordnen.

 

3.    Universales Moralgesetz in der antagonistischen Gesellschaft?

In einer Welt, die seit der Frühneuzeit komplexer und unübersichtlicher geworden ist, lässt sich keine kasuistische Moral mehr praktizieren. Kant hat deshalb ein Moralgesetz aufgestellt, das unsere Maximen bestimmen soll, die wieder die Situationsregeln und das situative konkrete Handeln bestimmen sollen. Das Moralgesetz oder der kategorische Imperativ kommt bei Kant in drei Varianten vor: als Universalisierungsregel, als Forderung, den Menschen immer auch als Selbstzweck zu behandeln, und die Erklärung des Moralgesetzes als mit dem Naturgesetz gleichrangig geltend für vernünftige und selbstreflexive Wesen. Höffe übernimmt von Kant die Universalisierungsregel, nach der eine Maxime (allgemeine subjektive Regel) dann moralisch ist, wenn man sie ohne Widerspruch verallgemeinern kann – quasi zu einem Moralgesetz, das den Naturgesetzen gleichrangig ist.

Dass Höffe jedoch nicht die Selbstzweckhaftigkeit des Menschen betont, geht schon daraus hervor, dass er Ausbeutung, Herrschaft und Konkurrenzkampf rechtfertigt (vgl. Affirmation oder Negation).

Wenn der Lohnabhängige vom produzierten Neuwert nur einen Teil als Lohn bekommt, der andere Teil als Profit kostenlos vom Eigentümer der Produktionsmittel angeeignet wird, dann ist er zumindest in Bezug auf diesen Profit, den er ohne Gegenleistung abliefert, ein bloßes Mittel und nicht Selbstzweck. Lohnarbeit im Kapitalismus ist deshalb - Kant konsequent anwendend (etwas, was er selbst noch nicht durchschaute) – unmoralisch, weil sie dem Moralgesetz widerspricht. Doch so einfach ist die Sache nicht. Denn, indem der Lohnabhängige den Mehrwert kostenlos abliefert, reproduziert er auch kostenlos das investierte Kapital (Amortisation) und ermöglicht dem Eigner seinen Mehrwert wieder zu reinvestieren, also seine Produktivität zu steigern, seine Produktion auszuweiten und dadurch sein Kapital progressiv zu akkumulieren, also immer mehr Lohnabhängige auszubeuten. Dadurch steigt die ökonomische Macht des Kapitals ins Unermessliche, während der Lohnabhängige bestenfalls ein paar mehr Konsumgüter sich leisten kann, auf jeden Fall relativ zum Kapital verelendet. Setzt sich diese kapitalistische Produktionsweise in der Gesellschaft in allen Lebensbereichen durch (siehe unten Lebenswelt), dann ist der Lohnabhängige derart dieser Ökonomie ausgeliefert, dass er tatsächlich auch außerhalb der Mehrwertproduktion tendenziell zum bloßen Mittel der Verwertung des Wertes wird.

Es ist deshalb verständlich, dass Höffe sich nicht auf die Selbstzweckhaftigkeit des Menschen bei Kant beruft, sondern auf den Formalismus der Universalisierung von Maximen. Gegen diesen Formalismus hatte schon Hegel eingewandt, dass man damit ein widerspruchsfreies System von Maximen konstruieren kann und zugleich auch sein kontradiktorisches Gegenteil, das ebenfalls widerspruchsfrei konstruierbar ist (4). Genau diese Unzulänglichkeit eines bloßen moralischen Formalismus nutzt Höffe aus, indem er scheinbar widerspruchsfrei die Klassengesellschaft  moralisch rechtfertigt: Für Bescheidenheit und gegen eine „Versicherungsmentalität“ (S. 103) in Bezug auf die Lohnabhängigen – für einen gemäßigten individuellen Konsum und Wohlstand bei den Besitzenden, unterschiedliche Lebenslagen seien zu akzeptieren, Neid und Pleonexie (S. 110) gleichermaßen zu vermeiden (sieh unten: Eudaimonismus). Die Interessen der Lohnabhängigen und Kapitaleigner erscheinen nur als unterschiedliche moralische Maximen, die aber widerspruchsfrei generalisierbar seien. Dem ist aber nicht so.

Diese ideologische Moralisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse steht im krassen Gegensatz zur brutalen Wirklichkeit der Klassengesellschaft. Ein Gewerkschaftsfunktionär, der seine Interessenvertretung (systemimmanent) Ernst nimmt, muss seine Mitglieder vor Hungerlöhnen bewahren und einen größeren Anteil am erarbeiteten Neuwert einfordern, damit sie auch an dem durchschnittlichen Kulturniveau der Gesellschaft teilhaben können. Ein Unternehmer muss versuchen, die Löhne so tief wie möglich zu drücken, um so viel wie möglich Profit aus den Lohnabhängigen herausschlagen zu können, den er braucht, um die neuesten Maschinen usw. anzuschaffen, die seine Konkurrenzfähigkeit sichern. Beide haben berechtigte Maximen, beide können diese universalisieren, um sie als moralische auszuweisen – aber sie widersprechen sich kontradiktorisch, sie sind Ausdruck des ökonomisches Grundes, der die Gesellschaft antagonistisch macht.

„Es findet hier also eine Antinomie statt, Recht wider Recht, beide gleichmächtig durch das Gesetz des Warentausches besiegelt. Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt.“ (Marx: Kapital I, S. 249 (Lit. wie ( 8)) Dieser Klassenkampf „zwischen dem Gesamtkapitalisten, d.h. hier der Klasse der Kapitalisten, und dem Gesamtarbeiter, oder der Arbeiterklasse“ (ebda) lässt sich nicht durch eine universalisierte Maximenmoral aufheben. Es ist auch nicht einfach nur eine Konkurrenz, die durch Moral zivilisiert werden könnte (siehe S. 182), sondern dieser Klassenkampf kann bis zur Vernichtung „unwerten Lebens“ oder überflüssiger Arbeitskraft führen, wie der deutsche Faschismus gezeigt hat.

Und so stellt sich die Geschichte der kapitalistischen Gesellschaft als Kampf zwischen Kapital und Lohnarbeit dar, ein Kampf, den Höffe systematisch aus seiner Lebenskunst und „Fundamentalethik“ verdrängt, ausblendet oder moralisierend abtut. Die Folge ist, dass sich die Verhaltensregeln, die er vorschlägt, als steriler Idealismus erweisen, der selbst Teil des ideologischen Klassenkampfes von oben ist.

Der Formalismus-Einwand Hegels gegen Kant trifft voll auf Höffe zu, weil dessen Verallgemeinerungen sich als Klassenmoral herausstellen, er trifft aber nicht Kant selbst. Denn nur die drei Formen des kategorischen Imperativs zusammen ergeben das Moralgesetz. Sieht man die Variante des kategorischen Imperativs ein, nach der ein Mensch immer auch als Selbstzweck und niemals bloß als Mittel behandelt werden darf, dann ist nicht jede Universalisierung von Maximen gerechtfertigt, sondern nur diejenigen, nach denen die Menschen in ihrer Selbstzweckhaftigkeit anerkannt bleiben. Der kategorische Imperativ in dieser Form ist denn auch der moralische Maßstab für die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, die den Menschen tendenziell zum bloßen Mittel degradieren. Als solcher ist er in die Marxsche Kritik an der politischen Ökonomie eingegangen. (5)

4.    Der Idealismus der Lebenskunst und der Moralphilosophie von Höffe

4.a. Idealismus und Materialismus in der Ethik allgemein

Philosophischer Idealismus und philosophischer Materialismus sind nicht dasselbe, wie die populären Vorstellungen vom Idealismus als Verherrlichung von Idealen und erhabenen Werten oder von Materialismus als Huren, Saufen, Schlampampen meinen (so oder ähnlich regelmäßig der Papst).

Der philosophische Idealismus geht in der Ethik davon aus, dass Ideen die Welt regieren oder doch regieren könnten, wenn die Menschen nur ihre Einsichten in deren ewige Geltung entwickelten. Der Materialismus geht vom „Vorrang des Objekts“ (Adorno) gegenüber der Konstruktion aus. Auf die Moralphilosophie angewandt, geht er von der Analyse der realen Verhältnisse aus und entwickelt aus den besseren Möglichkeiten der sozialen Wirklichkeit den Maßstab der Kritik an diesen Verhältnissen und das Ziel ihrer Veränderung. Die Ideen der philosophischen Tradition und die darin aufgehobene weltgeschichtliche Erfahrung gehen in den Materialismus ein, soweit er dialektisch ist (und nicht die platte Karikatur, als der er in der idealistischen Polemik erscheint), insofern diese historische Erfahrung auf die realen Möglichkeiten der Gegenwart, d. h. konkret auf den Stand der Produktivkräfte, bezogen wird.  

Der dialektische Materialismus konzentriert sich heute auf die Analyse des Bestehenden, des Kapitalismus und seiner Bewegungsgesetzte sowie ihren heutigen Erscheinungsformen. Deren Konsequenz ist die praktische Notwendigkeit der Negation dieser Produktionsweise, weil sie ein entfremdeter menschenfeindlicher Mechanismus ist, der nicht durch Menschen beherrscht werden kann, auch nicht durch die Herrschenden, die unmittelbar von dieser Ökonomie profitieren. Die Anarchie des kapitalistischen Marktes und der Konkurrenz, die sich in der Politik der Staaten als Imperialismus fortsetzt, entwickelt Schleudertendenzen, die unter den Bedingungen heutiger Produktivkräfte, die ebenso als Destruktivkräfte angewandt werden (Massenvernichtungswaffen), unsägliches Leid erzeugen und letztlich zum Untergang der Menschheit auf diesem Planeten durch einen atomaren Krieg führen können.

Moral ist deshalb nur rational als eine der Veränderung oder des Widerstandes gegen diese leichenträchtige Ökonomie. Sie bewahrt insofern die Ideen der philosophischen Tradition wie Freiheit, Gerechtigkeit und ewigen Frieden, weil sie diese erst als herzustellende betrachtet, d. h. als Ziel der Veränderung und als Maßstab der Kritik am Bestehenden. Eine solche Moral kann nur eine sozialistische sein, insofern Sozialismus bestimmt wird als freie Assoziation aller  Menschen, die über alle ihre Angelegenheiten und Beziehungen selbst bestimmen (autonom) und ihre Ökonomie unter ihre gemeinsame Kontrolle nach einem verabredeten Plan gebracht haben, eine Ökonomie, die nicht eine verselbstständigte Produktion um der Produktion willen wie im Kapitalismus beinhaltet, sondern Ausdruck ihrer Bedürfnisse nach dem jeweiligen Stand der Produktivkräfte ist.

Eine materialistische Ethik weiß, dass sie die Mittel der Veränderung unter den antagonistischen Umständen der kapitalistischen Epoche nicht immer selbst bestimmen kann. Sie folgt deshalb der pragmatischen Regel, soweit es möglich ist, die humanen Ziele in ihre Mittel eingehen zu lassen (6). Sie weiß aber auch, dass sie z. B. unter faschistischen Verhältnissen nicht auf Gewalt verzichten kann; andererseits erkennt sie an, dass sie in einer bürgerlichen Demokratie, welche die Möglichkeit einer friedlichen Veränderung über Mehrheiten offen lässt, nicht hinter die erkämpften humanen Standards der bürgerlich-demokratischen Gesellschaft zurückfallen darf.

4.b. Kritik der idealistischen Lebenskunst und Moralphilosophie von Höffe

Höffe verwendet Moralphilosophie und Ethik synonym (S. 13). Damit ebnet er die Differenz ein, die Kant in die praktische Philosophie gebracht hat: Moralphilosophie steht in Distanz zu den bestehenden Verhältnissen. Seine Ethik, wie bei Aristoteles und Hegel, ist Teil der politischen Philosophie und reflektiert des herrschenden Ethos, das sie nur präziser fassen will als der unphilosophische Bürger.

Wir dagegen benutzen den Begriff Ethik als Philosophie der Moral oder Moralphilosophie, d. h. als Nachdenken über Moral im Kantischen Sinne der Distanz zu den vorherrschenden Ethos der Gesellschaft, an das wir allerdings im Gegensatz zu Kant systematisch und kritisch auch anknüpfen.

Ein Vorwurf gegen die Moral lautet, sie betreffe nur das Handeln des Einzelnen. Höffe bestätigt diesen Vorwurf, wenn er von ihren Einsichten spricht, „die den konkreten Menschen betreffen“ sollen (S. 13). Dadurch kommen aber die Gesetzmäßigkeiten unseres Handelns, wie z. B. das Wertgesetz, das als entfremdeter Mechanismus über Arbeitsplätze, Wissenschaft und Schule entscheidet, nicht mehr für die Ethik in den Blick (auch wenn er an anderer Stelle das Gegenteil behauptet, vgl. S. 33). Sein Anspruch: „Radikalkritik gehört zur Philosophie wesentlich hinzu“ (S. 12) erweist sich dadurch als Phrase.

Höffe unterstellt, dass wir unsere Lebensentscheidungen immer auch aus moralischen Gründen treffen. Dabei übersieht er die funktionalen Zwänge, in die jeder einzelne Mensch eingebunden ist und die sein Verhalten mehr oder weniger bestimmen (siehe unten Positivismus).

Der Idealismus von Höffe verlangt nicht nur, dass der Handelnde sich an die Legalität hält und auch dort, wo er ohne Sanktionen fürchten zu müssen, eine moralische Legalität entwickelt, also von sich aus keine Gesetze bricht: „Legalität lässt sich einüben; zur Moralität gehört mehr.“ (S. 354). Die Menschen sollen auch um der Moral willen moralisch handeln, mit innerer Zustimmung und „heiteren Gemüts: aus der moralischen Anmut einer schönen Seele heraus.“ (S. 354 f.) Erst dann sei die höchste Stufe des Menschen, die Moralität, erreicht, sodass die Achtung des Moralgesetzes zur Selbstachtung führt und „das betreffende Subjekt als rundum moralische Person“ (S. 347) sich verhält. Wenn das „Strebensglück“ ebenfalls vorhanden ist, könne erst diese Moralität eine Person vollkommen glücklich machen – soweit es menschmöglich ist.

Doch diese an Kant angelehnten Bestimmungen setzen eine ideale Gesellschaft voraus, die es nicht gibt; und gäbe es diese ideale Gesellschaft, dann bräuchte es gar keiner Moral mehr als Sollen, weil dann ein moralisches Verhalten selbstverständlich gelebt würde. Der Idealismus der Moralität trifft aber tatsächlich auf eine antagonistische Gesellschaft, die eine solche Moralität praktisch in ihr Gegenteil verkehrt.

Handele ich aus innerer Überzeugung moralisch und achte ich z. B. das Eigentum anderer, stehle also nicht und will auch gar nicht stehlen, dann habe ich unter den kapitalistischen Bedingungen eine Herrschaftsordnung verinnerlicht, die tatsächlich legal den Diebstahl des Kapitals am Mehrwert praktiziert, den die Lohnarbeiter produzieren. Kaufe ich z. B. ein Produkt, praktiziere ich also Gerechtigkeit, indem ich ein Äquivalententausch eingehe, gleichen Geldwert gegen Produktwert, dann sanktioniere ich die große Ungerechtigkeit der bürgerlichen Gesellschaft, denn ich ermögliche mit jedem Kauf, dass das Kapital seinen Mehrwert realisiert, der in dem Produkt inkarniert ist, das ich gekauft habe. Ich sanktioniere mit meinem Kauf die in den Waren inkarnierte Herrschaft – ob ich das will oder nicht. Denn ich muss in einer entwickelten kapitalistischen Industrie- und Konsumgesellschaft meine Lebensmittel durch Kauf erwerben, um leben zu können.

So könnte man jede moralische Maxime, jede Tugend durchgehen und zeigen, dass moralisches Verhalten in sein Gegenteil, die praktische Sanktionierung von Unmoral umschlägt.

Damit der Leser nicht auf solche Gedanken kommt, baut Höffe vor, indem er Gerechtigkeit mit der positiven Legalität gleichsetzt (S. 356) und moralische Bestimmungen nicht zum Maßstab der gesellschaftlichen Totalität macht, sondern sie arbeitsteilig neben das Recht in der bürgerlichen Gesellschaft situiert („verdienstliches Mehr“, S. 356) und damit neutralisiert zum Funktionsorgan der antagonistischen Gesellschaft. Der Höffesche Idealismus erweist sich als reduzierte Vernunft, er dient der Verschleierung der Verhältnisse und fördert die Unmoral der kapitalistischen Herrschaftsweise.

Ein moralischer Mensch im Sinne von Höffe macht sich also „heiteren Gemüts: aus der moralischen Anmut einer schönen Seele heraus“ täglich schuldig an der Ausbeutung seiner Mitmenschen, an der Herrschaft, die auch über ihn ausgeübt wird und an der Verkleisterung der Gehirne mit moralischem Idealismus. Das ist pure Heuchelei, dümmliche Moralideologie.

Wenn die kapitalistischen Verhältnisse moralisches Handeln gar nicht zulassen oder den moralischen Zweck dieses Handelns in sein Gegenteil verkehren, dann sind es Gewaltverhältnisse, dann muss jede rationale Moral auf eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft drängen, um allererst die Bedingungen zu schaffen, die Glück, rationales Handeln, durchsichtige Beziehungen der Menschen und eine Ökonomie erlauben, die unter der bewussten Kontrolle aller Mitglieder der Gesellschaft steht.

 

5.    Die entscheidende Differenz: Affirmation oder Negation

Höffe will allgemeingültig sein, sich an Vernunft orientieren, seine Moralphilosophie will sich einem „widerspruchsfreien Zusammenhang“ nicht „versperren“ (S. 40). Sie will durch „praxisrelevante Einsichten“ praktisch werden (S. 13). „Gemeint ist ein Verhältnis des Menschen zu sich und seiner natürlichen sowie sozialen Welt, das zugleich ein Selbstverhältnis ist und wegen seiner Beziehung auf das Handeln praktische Vernunft heißt.“ (S. 64) Und doch verfällt sie einem fundamentalen Widerspruch, der sie als „Fundamentalethik“ desavouiert. Sie predigt die allgemeine Affirmation von Verhältnissen, die dem Klasseninteresse der Herrschenden an der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise und ihrer Eigentumsordnung dienen. Sie vertritt partikulare Interessen, obwohl sie von allgemeiner Vernunft ausgeht.

Dies geschieht in Höffes Moralphilosophie, indem diese systematisch die Analyse der Gesellschaft und ihrer Ökonomie ausblendet, Philosophie zur Fachwissenschaft reduziert, um diese Gesellschaft zu affirmieren. Seine Moralphilosophie „entfaltet sich ausschließlich durch Begriff, Argument und Reflexion. Eine Ethik, die es statt dessen eilig hat, die Welt zu verändern, und zur persönlichen Umkehr, zur politischen Revolution oder zur Gegenrevolution auffordert, verläßt ihre Kompetenz.“ (S. 13) Man habe „sein Leben (…) seine Lebensträume (…) den Schwierigkeiten der Weltlage anzupassen.“ (S. 100 f.) „Auch wenn man sich auf eine moralisch hoch entwickelte Moral bezieht, befaßt man sich letztlich nur mit einer positiv gegebenen, nicht mit der Idee der kritischen Moral.“ (S. 40) 

Diese Affirmation der bestehenden Verhältnisse macht alle „Ratschläge“ zur Lebenskunst, selbst dort, wo man ihnen abstrakt zustimmen könnte, zur Verklärung und Illusionierung der gesellschaftlichen Antagonismen. Sie dient einer kleinen Minderheit der Kapitaleigner. Dieser Widerspruch durchzieht die ganze Konstruktion seiner „Fundamentalethik“, die Glück als „Bescheidenheit“ (S. 118, 121, 122 u. a.) definiert und mit der Tugend als protestantisches Arbeitsethos verbinden will (siehe unten „Kritik der Tugendlehre“). Diese Art Eudämonie kann man als Lohnverzicht der abhängig Beschäftigten und die Tugend als Willigkeit der Arbeitskräfte übersetzen. Man soll das in Höffes Sinne „Richtige spontan, mit Lust und ohne Widerstreben tun“ (S. 131 f.).

Wendet man diese Bescheidenheit und Demut einmal auf die realen Verhältnisse an, in denen die Lohnabhängigen leben, dann verringert sich durch die Bescheidenheit der Anteil des Lohnes am produzierten Neuwert, das propagierte Arbeitsethos erhöht die Arbeitsproduktivität – beides steigert den Profit der herrschenden Klasse.

Entsprechend seines eklektischen Anspruchs, jeden einmal geäußerten Gedanken über Glück und Moral irgendwie einzubeziehen, erscheint bei Höffe auch diese Gesellschaftskritik. Allerdings mutiert der moralische Maßstab der Kritik am Bestehenden, der zunächst nur die Möglichkeit eines moralischen Lebens beinhaltet, abwertend zur Sozialutopie.

„Einige Sozialutopien wollen dieser Sachlage (kapitalistische „Konkurrenz“, „Krieg aller gegen alle“, „Verlierer-Unglück“, B. G.) radikal und umfassend entkommen. Mit der Zivilisierung der Konkurrenz nicht zufrieden, suchen sie ein Glück, das nicht mit dem Leid, sondern mit dem Glück der anderen zusammenbesteht, sogar vom Glück (?) der anderen lebt. Zu diesem Zweck verlangen sie andere Gesellschaftsverhältnisse; vor allem sollen sie ohne jede wirtschaftliche Unterdrückung und Ausbeutung, vielleicht sogar ohne jede Herrschaft von Menschen über Menschen auskommen.“ Dies aber wäre eine „wirklichkeitsfremde (…) Utopie“. (S. 182)

Dieses offene Bekenntnis zur Bejahung von Ausbeutung, Herrschaft und Unglück durch die Klassengesellschaft findet man selten in der gegenwärtigen Moralphilosophie. Zumeist wird diese Ideologie hinter Phrasen verbrämt, die man aber auch bei Höffe genug findet.

Die Alternative, die Höffe dieser „Sozialutopie“ entgegenstellt, ist seine „eudaimonistische Tugendethik“: „Eine Tugendethik betont die Verantwortung jedes einzelnen.“ Wie in der bürgerlichen Soziologie wird auch von Höffe die Gesellschaft als Anhäufung von mehr oder weniger autonomen Einzelmenschen betrachtet, nicht aber als ein Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse, das mehr darstellt als die Summe von Individuen. Höffe tut so, als ob man die Mechanismen, welche die Gesellschaft regieren, überspringen könnte. Wie die eudaimonistische Tugendlehre in der „Zivilisierung der Konkurrenz“ praktisch werden soll, zeigt der Autor an der Tugend „Gerechtigkeit“:

„Die Gerechtigkeit regelt das Verhältnis der Menschen zueinander, sowohl ihre Kooperation, beispielsweise die verschiedenen Arten von Tausch, als auch die Verteilung, nicht zuletzt Konflikte.“ (S. 179)

Wie unten ausführlicher gezeigt, regeln nicht einzelne moralische Personen, auch nicht unmoralische Individuen den Tausch, die Kooperation und die Konflikte in der kapitalistischen Gesellschaft, sondern entfremdete Mechanismen wie etwa das Wertgesetz (vgl. Marx: Das Kapital, S. 55 (7)). Die Verteilung wird nicht durch Gerechtigkeit geregelt, sondern durch die Eigentumsverhältnisse, durch die einige Wenige die Masse der Produktionsmittel besitzen und die große Vielheit kein derartiges Eigentum hat. Es ist die Funktion der Kapitalbesitzer oder ihrer Manager, soviel wie möglich Profit aus ihrem Unternehmen herauszuholen, also den Arbeitenden abzupressen, ob sie das wollen oder nicht, ob Höffes „Lebenskunst“ sie darin bestätigt und ihnen „das ruhige Gewissen jenes sanfte Ruhekissen“ (S. 169) dazu verschafft oder nicht. Versuchten die Kapitaleigner nicht als Funktionäre ihres Eigentums zu agieren, unterlägen sie im Konkurrenzkampf, gingen Pleite und würden ihr Kapital verlieren.

Auch die „verschiedenen Arten von Tausch“ offenbaren ihr Wesen erst, wenn man sie praktisch in der gesellschaftlichen Struktur betrachtet. Werden beim Austausch zwischen Kapitalien oder zwischen Kapital und individuellen Kunden in etwa Äquivalente getauscht, so ist der Tausch zwischen den Arbeitskräften (Lohn) und dem Kapital nur zum Schein ein Äquivalententausch, während tatsächlich den Arbeitenden ein Nichtäquivalent als Mehrwert (bzw. Profit) kostenlos abgenommen wird – die Ausbeutung, die Höffe als unabänderliches Schicksal betrachtet (wie das obige Zitat gezeigt hat, vgl. S. 182). Nicht die Tugend oder eine philosophisch begründete Idee bestimmt das Verhältnis der Menschen untereinander (ebenfalls nicht „Gerechtigkeit“, es sei denn man definiert sie zynisch als Ungleichheit im Tausch, Eigentum und sozialen Status), sondern die entfremdeten (unbeherrschbaren) Mechanismen der Kapitalökonomie.

Der Unternehmer mag noch so menschlich angenehm, hilfsbereit, großzügig, tapfer (engagiert) in der Zivilgesellschaft sein, als Unternehmer oder leitender Manager ist er bloß ein Funktionär seines Eigentums und untersteht wie die Lohnabhängigen ökonomischen Gesetzen, die alles beherrschen. – Freilich auf der angenehmen Seite dieser Gesetze, was sich besonders krass in Krisenzeiten bemerkbar macht, wenn der Kapitaleigner sein Luxusleben fortsetzen und der Lohnabhängige evtl. sogar hungern muss. Ebenfalls ist der Lohnabhängige gezwungen, so viel Lohn zu erreichen, wie er durch Solidarität mit Seinesgleichen (nicht allgemein menschlich) durchsetzen kann, will er nicht verelenden. Die Tugenden des Kapitaleigners und der Lohnabhängigen sind keine sozialen, wie Höffe meint, sondern beide müssen asozial agieren, wollen sie im Konkurrenzkampf der kapitalistischen Gesellschaft bestehen – das erzwingt die antagonistische Gesellschaft, die sie ständig reproduzieren und der sie ausgeliefert sind. Moralisch wäre erst ein Verhalten, das auf die Abschaffung der antagonistischen Gesellschaft dringt, insofern ist Höffes affirmativer moralischer Idealismus Ausdruck von Amoralität.

Die Gleichsetzung der moralischen Person des Kapitaleigners Y oder des Lohnabhängigen Z mit seiner jeweiligen sozialen Funktion in der kapitalistischen Ökonomie, die Identifizierung des Citroën mit dem Bourgeoise, des Individuums mit seiner sozialen Rolle als Funktionär seines Eigentums ist der idealistische Trick, auf dem die eudaimonistische Tugendethik von Höffe beruht, das Quidproquo seines Idealismus.

Völlig absurd wird der Verantwortungsidealismus von Höffe, wenn man große Konzerne und Aktiengesellschaften einbezieht, in denen dem Kapital keine konkreten Personen mehr als Eigentümer zugeordnet werden können, in denen das Kapital anonym geworden ist und nur noch von funktionierenden Charaktermasken gemanagt wird. Moral ist hier weitgehend nur noch ein Mittel der Propaganda und Außendarstellung.

„Moralische Imperative (und allgemein „Ratschläge“ zur Lebenskunst, B. G.) fungieren in der antagonistischen Gesellschaft so vor allem als Instrumente verinnerlichter Herrschaft.“(8) Die bundesdeutsche Gesellschaft hat inzwischen einen Grad von verinnerlichter Herrschaft erreicht, dass Moral als Anstrengung tendenziell überflüssig geworden ist (siehe Positivismus). Die Masse der Lohnabhängigen wird den drögen Text von Höffe, der nach eigener Auskunft wenig originell sein will, also nur zigmal Publiziertes nur noch einmal in professoralem Plauderton wiederholt, sowieso nicht lesen. Das Buch wendet sich denn auch mehr an den konservativen bis reaktionären Kleinbürger, der auf den neuesten Stand der moralischen Ideologie, der Lebenskunst, sein will und seine höheren Vorurteile bestätigt sehen möchte.

Dass „Bescheidenheit“ im objektiven Interesse des Gesamtkapitals auch dysfunktional ist, weil es die Kauflust hemmt wie in den 50er Jahren, freut den Kleinunternehmer, der Angst vor den Ansprüchen seiner Beschäftigten hat. Dass Höffes Arbeitsethos die Freizeitindustrie hemmt, bestätigt den hart arbeitenden Geschäftsmann, der seine Dreimannklitsche über Wasser halten will. An dieser Stelle zeigt sich, dass Höffe nicht nur eine konservative Moralphilosophie vertritt, sondern auch reaktionär ist. Vor allem aber liefert Höffe mit seiner moralischen Ideologie das gute Gewissen für Ethiklehrer, Naturwissenschaftler und philosophisch gebildete Manager, die nun keinen Wegwerfratgeber, der bald schon veraltet, in den Händen halten, sondern eine „überhistorische“ (S. 137) Lebenskunst. 

6.    Anthropologie in ideologischer Absicht

Wer eine überhistorische und universale Lebenskunst schaffen will, die noch dazu Fundamentalethik (S. 44 und passim) sein will, der muss auf ein überhistorisches Fundament, das Wesen des Menschen, rekurrieren. (Eine universale Moral aus Vernunft dagegen kommt nicht umhin, historische Bestimmungen zur Begründung heranzuziehen.)

„Für Grundverbindlichkeiten braucht es allgemeine Einsichten in die Conditio humana, für spezifischere Gebote und Verbote ein geschichts- und gesellschaftsbezogenes Wissen.“ (S. 38)

Diese „Grundverbindlichkeiten“ haben ihre „allgemeine Grundlage in der Natur“ (S. 46). Die „Anthropologie“ als „Lehre von der menschlichen Natur“ (S. 47) „erkennt bestenfalls ein Skelett von Menschsein, das erst durch kulturelle, darüber hinaus individuelle Faktoren zu einem Wesen aus ‚Fleisch und Blut’ wird.“ (S. 47) Diese Einschränkung führt Höffe aber nicht dazu, sein Vorhaben, Moral und Lebenskunst anthropologisch zur begründen, aufzugeben. Der Mensch ist für Höffe, Bestimmungen der philosophischen Tradition aufgreifend, ein „vernunft- und sprachbegabtes Lebewesen“ und ein „Sozial-, näherhin Rechts- und Politikwesen“, allerdings zunächst nur als „Anlage“ (S. 47). Da der Mensch der Entwicklung fähig, mit Welterfahrung und Denken begabt ist, folgt aus seinem moralischen Wesen, dass er mit seinen Tugenden nicht nur überleben will, sondern auch das „gute Leben“ anstrebt - und „heroische Verzichte“. „Infolgedessen ermöglicht der Antriebsüberschuß humane Glanzlichter wie Technik und Medizin, wie Musik, Kunst und Architektur, wie Literatur, Wissenschaft und Philosophie, nicht zuletzt heroische Verzichte.“ (S. 51) So hat Höffe die wichtigsten Bestimmungen seiner Lebenskunst anthropologisch begründet. Doch diese anthropologische Absicherung seiner Moral lässt sich nicht halten.

Recht ist eine Erfindung herrschaftlich verfasster Gesellschaften, Politik ist gar erst seit Kleisthenes im 5. Jahrhundert entstanden. Somit gibt es Menschen erst seit den Hochkulturen oder der klassischen Zeit der Griechen. Genauso willkürlich ist seine Bestimmung des Menschen als „animal morabile“, das sich zum „Moralwesen“ entwickeln soll (S. 47). Die Moral ist ebenfalls ein noch junges Phänomen in der Menschheitsgeschichte. Sie taucht zuerst als Spruchweisheit bei den Ägyptern oder den Sprüchen Salomons im Alten Testament auf und wird als Ethik zuerst von Aristoteles systematisch reflektiert. Da Moral zum Wesen des Menschen gehören würde, begehe man auch keinen „naturalistischen Fehlschluß“, man leite Moral nicht aus der „Lebensdienlichkeit“ ab, sondern verbleibe „im Bereich des Positiven, des Seins“ (S. 49). Der naturalistische Fehlschluss, aus dem empirischen Sein das Sollen abzuleiten, wird jedoch nicht umgangen, sondern nur verschoben auf den naturalistischen Fehlschluss, der in seiner Anthropologie liegt.

Höffe interpretiert historische Kulturerscheinungen wie Recht und Moral um zum überhistorischen Wesen des Menschen. Er ontologisiert historische Bestimmungen und begeht eine Hypostase des Denkens (9). Er interpretiert seine Bestimmungen, die er heute für seine „Lebenskunst“ und „eudaimonistische Tugendlehre“ benötigt in die überhistorische Natur des Menschen hinein, um aus dem so präparierten Naturbegriff des Menschen seine Moralkonzeption zu legitimieren. Die Fundamentalethik beruht auf dem klassischen Zirkelschluss, den er andern ankreidet. Wie jedes Jahrhundert sein „Menschenbild“ als natürliches und damit überhistorisches verklärt, so erweist sich auch die überhistorische Natur des Menschen bei Höffe aus der empirischen Wirklichkeit gewonnen, „das richtende Prinzip für jenes Apriorische ist das Aposteriorische“ (Hegel) (10). Das Fundament der Fundamentalethik ist erschlichen, es bröckelt – und da mittels dieses Trugschlusses sich jedes und sein Gegenteil begründen lassen, ist dieses Begründungsverfahren zu keiner Begründung geeignet. Der Mensch kann nach Höffe auch seine Anlagen zur „Völlerei“, „sexueller Maßlosigkeit, zur Ehrsucht, Herrschsucht und Habsucht“ entwickeln (S. 51) - ebenso wie zum „Moralwesen“. Wenn aber das eine und sein Gegenteil anthropologisch möglich sind, dann bedarf es einer Begründung außerhalb der Anthropologie, denn aus dieser folgt nichts, jedenfalls keine Moral.

Gleichwohl verzichtet Höffe aber nicht auf die anthropologische Absicherung seiner Moralphilosophie. Wenn man nun aus „den anthropologischen Befunden“ (S. 51), aus dem nur Banalitäten folgen, das eine und sein Gegenteil ableiten kann, dann eignet sich diese Art Anthropologie vorzüglich zur Scheinbegründung. Predigt man der arbeitenden Bevölkerung „heroischen Verzicht“ als anthropologische Leistung oder „Bescheidenheit“ als moralische Tugend bei überquellendem Reichtum, dann wird die Scheinbegründung zur Ideologie, das als notwendig ausgegebene Bewusstsein, das der Herrschaftssicherung dient, der unmoralischen Rechtfertigung der Steigerung des Profits auf Kosten der Arbeitenden.

Selbst das „Böse“ wird als anthropologisches Fundament wieder eingeführt. Es ist der „absichtsvolle Widerspruch“ gegen die Moral, die „abgrundtiefe Schlechtigkeit und Verwerflichkeit“ (S. 328). Dieses Böse gehöre zur menschlichen Natur, der Mensch habe einen „natürlichen Hang zum Bösen“ (S. 339). Mit diesem naturalistischen Trugschluss, den er sogar eingesteht, wenn er zugibt, den Begriff des Bösen für seine Fundamentalethik pragmatisch zu benötigen, kann er zwei Aspekte seiner Moralideologie „begründen“: Einmal erscheint der Konkurrenzkampf in der bürgerlichen Gesellschaft als etwas Natürliches, eine Konkurrenz, die der moralischen „Zivilisierung“ bedarf (S. 182). Höffe rechtfertigt sogar anthropologisch die Übertretung des Tötungsverbots, nicht nur aus Notwehr, sondern wenn es sich um einen Krieg handelt (vgl. S. 337). Eine Apologie des Krieges erscheint aufgrund seiner „Fundamentalethik“ als möglich … Zum anderen kann der Gedanke an eine sozialistische Gesellschaft als unnatürliche „Schwärmerei“ denunziert werden. „Wer den Begriff des Bösen aufgibt, unterstützt stillschweigend die Gefahr einer Selbstüberschätzung, eines Hochmuts der Menschheit. Wer glaubt, das Böse lasse sich einmal für immer ausrotten, müßte sich, mit Kant gesprochen, Schwärmerei vorwerfen lassen.“ (S. 338 f.) (11)

Nach Kant kann man den Menschen nicht anthropologisch definieren, weil er sich in Entwicklung befindet (12) – entgegen der Höffeschen Vereinnahmung Kants (vgl. S. 47). Kant unterstellt damit zu Recht, dass wir primär keine Naturwesen sind, sondern vor allem kulturell geprägt sind. Das, was an uns bloß natürlich ist, hat für unser konkretes Handeln in einer historischen Gesellschaft keine entscheidende Bedeutung. Es ist zwar notwendig zu beachten, besteht aber eher aus trivialen Tatsachen. Wir müssen Essen, Trinken und Schlafen. Aber wie wir dies machen, wird durch die Kultur bestimmt, wobei Kultur alles das bedeutet, was die Menschen mittels ihres Geistes erfunden und geschaffen haben. Aus der bloßen Natur des Menschen kann ich lediglich ableiten, dass ich essen muss, wenn ich leben will. Ob ich aber als Asket lebe oder der „Völlerei“ pflege oder gar zwangsweise bei einem Hungerstreik mit dem Schlauch ernährt werde – das ist kulturbestimmt. Kultur aber ist in dem Prozess der historischen Veränderung eingebunden und so auch die Natur, insoweit sie kulturell geformt wird. Kultur ist Menschenwerk, keine Natur. Viele heutige bürgerliche Philosophen, so auch der „Kantianer“ Höffe (13), fallen hinter die Einsicht der kritischen Philosophie Kants und Hegels zurück.

Die Anthropologie seit dem 20. Jahrhundert entspricht dem Bedürfnis der bürgerlichen Philosophie, die „transzendentale Heimatlosigkeit“ (Lukács) zu überwinden. Nach dem Zusammenbruch der mittelalterlichen Seinsmetaphysik suchen die Philosophen der bürgerlichen Epoche eine unbedingte Autorität, ein verlässliches Fundament, ein absolutes Prinzip, das nicht weiter hinterfragbar ist, um aus ihm das Handeln rechtfertigen zu können. Horkheimer schreibt dazu:

„Diese Anwendung des Denkens, begriffliche Zusammenhänge zu entwerfen und aus ihnen das ganze menschliche Leben sinnvoll zu begründen, die geistige Anstrengung, das Schicksal jedes Einzelnen und der ganzen Menschheit in Einklang mit einer ewigen Bestimmung zu bringen, gehört zu den wichtigsten Bestrebungen der idealistischen Philosophie. Sie wird vor allem durch den widerspruchsvollen Umstand bedingt, daß in der neueren Zeit die geistige und personale Unabhängigkeit des Menschen verkündet wird, ohne daß doch die Voraussetzung der Autonomie, die durch Vernunft geleitete solidarische Arbeit der Gesellschaft, verwirklicht wäre. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen tritt einerseits die Produktion und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens, das 'Wertgesetz', nicht als Motor der menschlichen Arbeit und der Weise, in der sie sich vollzieht, hervor. Der ökonomische Mechanismus wirkt sich blind und deshalb als beherrschende Naturmacht aus. Die Notwendigkeit der Formen, in denen die Gesellschaft sich erneuert und entwickelt und die ganze Existenz der Individuen sich abspielt, bleibt im Dunkeln. Andererseits haben diese Individuen es gelernt, für die gesellschaftlichen Lebensformen, die sie durch ihr tägliches Handeln aufrecht erhalten und gegebenenfalls beschützen, also für die Verteilung der Funktionen bei der Arbeit, für die Art der hergestellten Güter, für die Eigentumsverhältnisse, Rechtsformen, die Beziehungen der Staaten usw. Gründe zu fordern. Sie wollen wissen, warum sie so und nicht anderes handeln sollen, und verlangen eine Richtschnur. Die Philosophie sucht dieser Ratlosigkeit durch metaphysische Sinngebung zu steuern. Anstatt dem Anspruch der Individuen nach einem Sinn des Handelns durch Aufdeckung der gesellschaftlichen Widersprüche und durch Hinweis auf ihre praktische Überwindung zu genügen, verklären sie die Gegenwart, indem sie die Möglichkeit des 'echten' Todes zum Thema wählt und dem Dasein tiefere Bedeutung zu geben unternimmt.“ (Horkheimer: Anthropologie, 96 f.) (14)

Diese Verklärung ist bei Höffe nicht die des „echten Todes“ wie etwa bei Scheler (15), obwohl der „edle Tod“ immerhin unkritisch zitiert wird (S. 185), sondern die Bestimmung des Menschen als „Moralwesen“. Diese Art anthropologische Ideologie ist aber nicht harmlos, nicht bloß idealistischer „Sinnhorizont“ (S. 89), sondern indem Höffe seinen Bestimmungen den „Charakter des Unbedingten“ (S. 89) gibt, entzieht er sie der rationalen Diskussion und wird irrational. Herbert Marcuse hat diese Funktion der Anthropologie im Zusammenhang mit der faschistischen Ideologie untersucht:

„Die Interpretation des geschichtlich-gesellschaftlichen Geschehens auf ein naturhaft-organisches Geschehen hin greift hinter die wirklichen (ökonomischen und sozialen) Triebfedern der Geschichte zurück in die Sphäre der ewigen und unwandelbaren Natur. Die Natur wird gefaßt als eine Dimension mythischer Ursprünglichkeit (treffend durch das Begriffspaar ‚Blut und Boden’ bezeichnet), die sich in allem als eine vorgeschichtliche Dimension charakterisiert, mit deren umgestaltender Überwindung die Menschengeschichte in Wahrheit allererst beginnt. Die mythisch-vorgeschichtliche Natur hat in der neuen Weltanschauung die Funktion, als der eigentliche Gegenspieler gegen die selbstverantwortliche rationale Praxis zu dienen. Diese Natur steht als das schon durch ihr Dasein Gerechtfertigte gegen alles, was erst der vernünftigen Rechtfertigung bedarf, als das schlechthin nur Anzuerkennende gegen alles erst kritisch zu Erkennende, als das wesentlich Dunkle gegen alles, was nur im erhellenden Lichte Bestand hat, als das Unzerstörbare gegen alles der geschichtlichen Veränderung Unterworfene. Der Naturalismus beruht auf einer für die neue Weltanschauung konstitutiven Gleichung: Die Natur ist als das Ursprüngliche zugleich das Natürliche, Echte, Gesunde, Wertvolle, Heilige. Das Diesseits der Vernunft erhöht sich, kraft seiner Funktion ‚jenseits von Gut und Böse’, zum Jenseits der Vernunft.“ (16)

Höffe ist gewiss kein „Blut und Boden“-Theoretiker, aber er benutzt Argumentationsmuster, unbegründete Behauptungen und Ideologeme der irrationalen Anthropologie des 20. Jahrhunderts, die auch die faschistische Weltanschauung sich einverleibt hat und die bis heute zum ideologischen Repertoire der affirmativen Philosophie gehören.

Auch die „Grundverbindlichkeit“ ist bei Höffe durch ihre irrationale Naturalisierung der rationalen Diskussion entzogen. „Überzeugt, daß der Begriff und die Prinzipien der Moral für die gesamte Gattung ‚Mensch’ und nicht lediglich für gewisse Gruppen, Gesellschaften oder Epochen gültig sind, macht der gattungsspezifische Universalismus, statt sich an gewisse Kulturen, Traditionen oder Gemeinschaften zu binden, vor keinen politischen, religiösen oder sprachlichen Grenzen halt.“ (S. 137) Alle historisch konkreten Tugendausprägungen wären von „anthropologischen Bedingungen“ abhängig, während ihre „Grundgestalt“ allein anthropologische bestimmt, also von der historischen Epoche „unabhängig“ ist (S. 138). So werden Höffes subjektive Bestimmungen, die ich als ideologisches Bewusstsein erwiesen habe, der vernünftigen Diskussion entzogen und zu „allgemein menschlichen“ verzaubert. Selbst da, wo man bestimmten moralischen Bestimmungen abstrakt zustimmen könnte, werden sie nicht Ernst genommen. Moralische Bestimmungen und Menschenrechte als Maßstab des Handelns und als antizipierte Ziele können sich nicht auf eine vermeintliche Natur und auf kein höheres Wesen berufen, sie sind allein aus dem avancierten Stand der Vernunft zu begründen und müssen sozial und politisch gegen Herrschaftsansprüche, heute die des Kapitals, erkämpft oder, falls sie partiell durchgesetzt sind, bewahrt werden.

Für die materialistische Ethik dagegen ist Vernunft die Verallgemeinerung der Erfahrung der Weltgeschichte. Sie ist deshalb auch nicht nur als gegenwärtige begreifbar, sondern nur mit ihrer Genesis, auch wenn die genetische Begründung nicht ausreichend ist – das widerlegt alle Einwände gegen den „genealogischen Fehlschluß“ (S. 43), die Höffe vorbringt.

7.    Zur Geschichte der Lebenskunst als Kunst der Herrschenden

Will man Lebenskunst begreifen, dann muss man einen Blick auf ihre Geschichte werfen. Die Horden der Steinzeit benötigten keine Lebenskunst, weil das Verhalten der Individuen durch ihre Tradition geprägt war. So wie die Väter und Urväter sich verhalten haben, so verhält sich auch der Sohn, wie die Großmütter, so die Tochter und Enkelin. Jahrtausende veränderte sich kaum etwas am Verhalten der von der Natur abhängigen Kleingruppen.

Erst mit der neolithischen Revolution, dem Sesshaftwerden der nun ackerbauenden und Vieh züchtenden Sippen, änderte sich dies. Die Menschen waren in der Lage ein Mehrprodukt über ihre notwendigen Lebensmittel hinaus zu produzieren. Das hatte historisch zur Folge, dass innergesellschaftlich um die Aneignung des Mehrprodukts gekämpft wurde, Herrschaft einiger über die vielen Arbeitenden entstand im Laufe von einigen tausend Jahren. Und zwischen den Gesellschaften kamen zum ersten Mal in der Weltgeschichte Kriege um das Mehrprodukt bzw. deren Produzenten auf.

Innergesellschaftlicher Kampf zwischen denen, die Anspruch auf die Herrschaft erhoben, Polyneikes gegen seinen Bruder Eteokles in „Antigone“, oder zwischen Herrschenden und Beherrschten (z. B. Sklavenaufstände) oder zwischen verschiedenen Herrschaftsgebieten um Territorien und Menschen (die gesamte geschriebene Geschichte) schufen eine Situation allgemeiner Verunsicherung, die es nötig machte, Rechtsregeln, Moral und „Lebenskunst“ in Form von Spruchweisheiten (Ma´at, Sprüche Salomons, Demokrits Moralsprüche usw.) zu propagieren.

Ein Vater rät seinem Sohn im Ma´at (altägyptisches Weisheitsbuch), wie er sich gegenüber einem Vorgesetzten bei Tische verhalten soll:

„Wenn du ein Gast bist
Am Tisch eines, der größer ist als du,
dann nimm, was er dir gibt, wie man es dir vorlegt.
Blicke nicht auf das, was vor ihm liegt,
sondern blicke nur auf das, was vor d i r liegt.
Durchbohre ihn nicht mit vielen Blicken –
Das Ka haßt es, so bedrängt zu werden.
Halte deinen Kopf gesenkt, bis er dich anspricht (…)“ (17)

Das Ziel solcher Lebenslehren, die kreativ angewandt zur Lebenskunst werden, ist es, dem Hörer oder Leser in einer herrschaftlich verfassten Gesellschaft „einen schmerzfreien Weg durchs Leben zu zeigen, ihm nach Möglichkeit Umwege und Katastrophen zu ersparen“ (18) und ihm „einen Aufstieg in der Beamtenskala über die normale Beförderung hinaus und damit einen besonderen Wohlstand“ zu sichern (19).

Diese Lebenskunst wird aber erst dadurch notwendig für die Einzelnen, weil die antagonistische Gesellschaft in sich Schleudertendenzen bereithält, die jedes Leben prekär werden lassen können. Was Sophokles dem König Kreon aus der „Antigone“ über die Verschärfung des Krieges aller gegen alle durch die Einführung des Geldes in den Mund legt, lässt sich verallgemeinern für alle Arten des Kampfes ums Mehrprodukt:

„Kein ärgrer Brauch erwuchs den Menschen als
Das Geld! Es äschert ganze Städte ein,
Ja, es verführt auch unverdorbne Herzen,
Sich schändlichen Geschäften hinzugeben,
Es weist den Sterblichen zur Schurkerei
Den Weg, zu jeder gottvergeßnen Tat!
Doch alle, die um Gold sich so vergingen,
Was sie zuletzt erwirkten, war die Strafe.“ (20)

Der Homo sapiens sapiens  benötigt also erst sei etwa 4000 Jahren allgemeine Lebensregeln, um ein erfülltes Leben unter den Bedingungen herrschaftlich verfasster Gesellschaften zu führen. Und diese Regeln galten auch nur für das Kollektiv der Herrschenden, während die beherrschte Mehrheit der Bevölkerung - ob sie nun Freie, Abhängige oder Sklaven waren - sich im täglichen Überleben gar nicht an irgendwelche Regeln halten konnten. Sie waren Opportunisten der sich je bietenden Situation, die Klagen über die mangelnde Moral der unteren Bevölkerungsgruppen waren sprichwörtlich.

So sagt in „Antigone“ der Wächter, nachdem er die adlige Titelheldin dem König Kreon ausgeliefert hat:
„Denn selbst der Not entronnen sein macht Freude,
Und die ins Unglück bringen, die man gern hat,
Ist traurig. Doch das alles nehme ich
Natürlich nicht so wichtig wie mein Leben.“ (21)

Die soziale Bedingung der antiken Lebenskunst sowie ihrer Regeln, von denen auch Höffe noch zehrt, war der autarke Großgrundbesitzer, der von aller unmittelbaren Sorge frei, sein Leben genießen konnte und seine Herrschaft maßvoll erhalten wollte. Insofern waren Lebenskunst, prekäre Situation und Herrschaftstechnik immer unentwirrbar miteinander verquickt.

Demokrit macht den Standpunkt der Herrschenden in seiner „Lebenskunst“ deutlich:

„Es ist besser für die Unverständigen, dirigiert zu werden, als selbst zu befehlen.“ (22)

Damit sich die Herrschaft behaupten und evtl. auch ausweiten kann, benötigt sie ein Stillstellen der inneren Konflikte:

„Zwist unter Stammesgenossen ist schlimm für beide Parteien, für die Sieger nicht weniger als für die Unterliegenden – der Ruin ist (für beide Teile) gleich.“ (23)

„Von der Eintracht kommt es, daß große Werke vollführt werden, daß die Staaten Kriege führen (können) – auf keine andere Weise wäre dies möglich.“ (24)

Und die Ideologie, die eigene Absicherung der Herrschaft aus der „Natur“ zu begründen, war der Antike nicht unbekannt:

„Von Natur ist das Herrschen dem Besseren eigen.“ (25)

Bei allen Unterschieden galt die Verquickung von Lebenskunst und Herrschaft noch bis zu dem Grand Seigneur des 18. Jahrhunderts. Erst mit dem Industriekapitalismus ändert sich die Lage vollkommen. Allgemeine Regeln der Lebenskunst werden mit der permanenten Kulturrevolution, die von der Waren produzierenden Gesellschaft ausgeht, obsolet oder zur Banalität herabgesetzt.

Wenn ständig neue Waren produziert werden, die immer neue sinnliche, ästhetische und verstandesmäßige Reize bei den zum Käufer gewandelten Menschen erzeugen, die Raffinesse des Genusses und zugleich dessen Standardisierung vorantreiben, sodass mit der Veränderung der Warenkultur auch die Individuen und ihre Bedürfnisse dafür künstlich gezüchtet werden, dann sind philosophische Regeln jenseits der Schnelligkeit der Veränderung, wie Höffe und W. Schmid sie anstreben, sinnlos. Die Ratgeber für die Käufer der Waren sind zur Trivialliteratur geworden, die so schnell veraltet, wie die Warenkultur revolutioniert wird und die Einzelwissenschaft neue Erkenntnisse produziert. Das gilt für den Genuss, die Ernährung, die Medizin, den Sport, die Ehe, die Kindererziehung, die Ausbildung, die Fortbewegung, die Kommunikation usw. – also für alle relevanten Bereiche des individuellen Lebens. Insofern die „Lebenskunst“ diese Entwicklung nicht berücksichtigt, stattdessen ewiges „Grundriß-Wissen“ (S. 98) geben will, drückt sie eine reaktionäre Sehnsucht nach alten Zeiten aus, die gar nicht so schön waren und die unwiederbringlich vergangen sind.

Solches Aufzeigen von Tendenzen ist zunächst keine moralische Kritik, sondern Ausdruck der Gesellschaft. Die kapitalistische Warengesellschaft wird über den Markt vermittelt, der prinzipiell anarchisch ist. Wie immer auch die Konzerne planen, durch Werbung ihr Produkt puschen und die Kunden abgerichtet haben, nicht einen Gebrauchswert, sondern dessen Aura zu kaufen – sie können nie sicher sein, dass ihr Produkt mit Erfolg auf den Markt läuft. Umgekehrt, die Kunden, die zugleich auch immer unmittelbare Produzenten einer Ware sind, sie können nie sicher sein, wie lange sie ihren Arbeitsplatz noch einnehmen können. Von heute auf morgen kann es passieren, dass sie ihren Konsum drastisch einschränken müssen. Höffe rät ihnen „Bescheidenheit“ (z. B. S. 118, 121, 122, 140, 142, 153) als Lebenskunst. Das ist genauso irre wie etwa ein Ratschlag: Genieß das Leben, solange du noch kannst, wenn es doch gar nicht vom Einzelnen abhängt, ob er konsumieren kann oder nicht oder wie viel er in welcher Lebenssituation sich leisten kann.

Solange sich die Menschen nicht gegen diese Ökonomie wenden, bleibt selbst ihr Konsum und damit ihr materielles Lebensglück eine funktional abhängige Variable – unabhängig von jeder passenden oder unpassenden Lebensregel. „Die Bedingungen der unmittelbaren Exploitation und die ihrer Realisation sind nicht identisch. Sie fallen nicht nur nach Zeit und Ort, sondern auch begrifflich auseinander. (…) die Konsumtionskraft der Gesellschaft (…) ist bestimmt weder durch die absolute Produktionskraft noch durch die absolute Konsumtionskraft; sondern durch die Konsumtionskraft auf der Basis antagonistischer Distributionsverhältnisse, welche die Konsumtion der großen Masse der Gesellschaft auf ein nur innerhalb mehr oder minder enger Grenzen veränderliches Minimum reduziert.“ (Marx, Kapital III, S. 254 (26))

Die Widersprüchlichkeit dieser Produktionsweise, die auch auf das private Leben der Menschen durchschlägt, zeigt sich im Verhältnis von Lohn und Profit, in das der Neuwert aufgeteilt wird. Die Unternehmen wollen als einzelne den Lohn ihrer Arbeitskräfte so niedrig wie möglich halten, um ihren Profit so hoch wie möglich zu treiben, damit sie in der Konkurrenz um Produktivität und neues Anlagekapital mithalten können – gleichzeitig sind sie daran interessiert, dass das Lohnniveau der Gesellschaft als Ganzer hoch ist (nur nicht ihres Betriebes), damit sie viel Absatz machen können. In diesen Widerspruch ist der einzelne Lohnabhängige und Kunde eingezwängt. Das führt bei ihm dazu, dass er mal mehr, mal weniger konsumieren kann, also mal diese „Lebenskunst“, mal jene „Lebenskunst“ benötigt. Nichts davon bei Höffe. Seine Lebenskunst will über diesen profanen Dingen stehen, eine philosophische Lebenskunst sein, die für alle Zeiten gilt und gelten soll. Das Ökonomische kommt bei ihm nur als Streben nach „Wohlstand“ vor, als Abschätzen der Aktienkurse, deren Mechanismus ihn nicht interessiert. „Wohlstand beispielsweise läßt sich leicht messen, zumal der Geldanteil, etwas schwieriger die Aktien, Immobilien und Kunstschätze.“ (S. 153) – So man diese Dinge denn hat.

Hat der Lohnabhängige das Pech, aus dem Kreislauf von Produktion und Konsumtion herauszufallen, verarmt er absolut, dann bräuchte er die Lebenskunst der Askese – wie sie etwa die Kyniker oder einige Stoiker propagiert haben. Aber für solches Prekariat schreibt Höffe nicht, er visiert die Mittelschichten an, denn, da ein gewisser Wohlstand zum gelungenen Leben erforderlich ist, interessieren ihn die absolut Verarmten nicht. Dass die kapitalistische Gesellschaft immer mehr Reichtum produziert, zugleich aber Menschen absolut verarmen, ist für Höffe kein systematisch zu klärendes Problem.

„Eudaimonistisch gesehen ist ein bescheidener Wohlstand der Inbegriff materieller Mittel, die gegenwärtig in Fülle zur Verfügung stehen, um auch künftig seine Bedürfnisse und Interessen zu erfüllen.“(S. 115) Diese Weisheit des Aristoteles, dass Arme und Notleidende nicht glücklich sein können, gibt er aber erst preis, nachdem er als guter Christ vor den Gefahren des Strebens nach „Wohlstand“ gewarnt hat. „Der Perversion erliegt ein Leben, das letztlich nur nach Wohlstand strebt. (…) Menschen, die auf nichts anderes als auf Geld und andere materiellen Werte wie Immobilien und Aktien aus sind oder auf Kunstwerke, die sie nur als Wertanlage erwerben, ver-rennen sich im wörtlichen Sinn.“ (Ebda.) Diese Moral der antiken Grundbesitzer (wie Kreon), die im Kaufmann und seiner Chrematistik (Ökonomie, die eine absolute Bereicherung als Ziel hat) eine Gefahr für ihr soziales System sahen, im Zeitalter ständigen „Wachstum“ zu predigen, ist nicht nur antiquiert und reaktionär, sondern schlicht Blödsinn.

Jeder Mensch, der sich durch Lohnarbeit oder durch Einsatz seines Kapitals in der heutigen kapitalistischen Produktionsweise auch nur seinen Lebensunterhalt verdienen will, hat nur ein Ziel, das er anstreben muss, ob er will oder nicht: Anhäufung von Reichtum, Produktion von akkumulierbarem Mehrwert, Produktion um der Produktion willen.

Auf dem Markt treffen die Einzelkapitale (Unternehmen, Konzerne usw.) in Konkurrenz aufeinander. Diese Konkurrenz äußert sich aber nur auf dem Markt – hier ist der Bereich der kapitalistischen Moral, der Zwang Verträge einzuhalten, und hier ist der Ort der moralischen Rhetorik bis hin zu Höffes philosophischer Lebenskunst. Entschieden wird die Konkurrenz aber in den Produktionsstätten. Denn nur das Kapital kann seine Waren profitabel verkaufen, das zumindest den Durchschnitt der Produktivität seiner Branche sich annähert. Prescht ein Unternehmen vor, indem es neue Technik einsetzt, also seine Produktivität erhöht, um dadurch Extraprofite zu machen, weil es die Waren billiger herstellen kann als die Konkurrenz, dann zwingt es diese konkurrierenden Unternehmen die neue Technik ebenfalls einzuführen – bei Strafe des ökonomischen Ruins und damit der Vernichtung des eingesetzten Kapitals. Aus diesem Mechanismus entsteht ein Zwang in der kapitalistischen Produktionsweise, ständig den Profit bzw. den erwirtschafteten Mehrwert zu reinvestieren und wenn möglich auch die Produktion auszuweiten. Diesem Zwang des Wert heckenden Werts, sich ständig progressiv zu vermehren, müssen sich alle unterordnen, ob sie das wollen oder nicht, wenn sie nicht verarmen oder ihr Kapital verlieren wollen. Selbst Höffe mit seiner Lebenskunst ist als beamteter Philosophieprofessor diesem „Wachstum“, der ökonomisch erzwungenen Akkumulation des Kapitals, untergeordnet, indem er seine Aufgabe erfüllt, Illusionen über das heutige Leben zu verbreiten, damit die Kolporteure seiner Philosophie, wie z. B. Ethiklehrer, die zukünftigen und aktuellen Lohnabhängigen von einer Abschaffung dieser Ökonomie abhalten und stattdessen mit moralischen Phrasen abspeisen. Dasjenige, was ökonomischer Zwang der Kapitalproduktion ist, erscheint bei Höffe als moralischer „Imperativ“: „Frei ist nur, wer weder einer Kaufsucht erliegt noch sich vor den Mühen, die Einnahmen zu steigern, drückt.“(S. 220) Die Steigerung der Einnahmen, des abstrakten Reichtums in Geldform, ist ökonomisch erzwungen, aus diesem Zwang wird bei Höffe das Gegenteil: Freiheit. (Inwiefern Arbeitsprodukte tatsächlich Freiheit sind, kann hier nicht ausgeführt werden – nur so viel: Diese Freiheit gehört nicht den Arbeitenden, die sie produzieren.)

Im Gegensatz zu Max Weber erkennt Höffe nicht einmal die Phänomene dieser Gesellschaft. Nach Weber hat die Kombination von „Bescheidenheit“ und Aufwertung der Berufsarbeit die Kapitalakkumulation zur Folge, wenn der Unternehmer vom protestantischen Geist, welcher der kapitalistische Geist ist, durchdrungen ist, dann verprasst er nicht den Mehrwert in Luxus oder hortet ihn als Goldschatz, sondern reinvestiert den größten Teil wieder. Dieser Geist führt nach Weber aus religiösen oder moralischen Gründen zur Akkumulation des Kapitals. Tatsächlich habe ich gerade gezeigt, dass diese Akkumulation ökonomisch erzwungen ist. Es ist dann zweitrangig, ob bei diesem Individuum zuerst der kapitalistische Geist da ist oder sich als Folge seines Tuns einstellt – er muss sich einstellen bei Strafe des Kapitalverlustes.

Höffe interessiert sich nicht für diese Zusammenhänge. Er trennt wie Habermas die Ökonomie von der „Lebenswelt“ (S. 248) und hält letztere für mehr oder weniger unabhängig davon.

8.    Kritik der Dichotomie von Ökonomie („Systemwelt“) und Lebenswelt

Voraussetzung der Lebenskunst, Voraussetzung jeder affirmativen Moral, Voraussetzung aller sozialdemokratischen Illusionen vom gezähmten Kapitalismus ist die Trennung von Systemwelt und Lebenswelt. Die Systemwelt ist nach Habermas die Ökonomie, der „Funktionskreis instrumentellen Handelns“. In der Systemwelt wird durch Arbeit die äußere Natur sich angeeignet; dagegen kommunizieren die Menschen durch Sprache in der Lebenswelt miteinander. Ich gebe die Zusammenfassung der Habermasschen Dichotomie durch Türcke wieder:

„Die Wirklichkeit zerfällt in zwei Bereiche mit je eigener Logik. Beginnen wir zu arbeiten, so betreten wir den ‚Funktionskreis instrumentellen Handelns’, und in diesem steht alles Erkennen und Tun ausschließlich ‚unter dem Gesichtspunkt möglicher technischer Verfügung’. Das erkenntnisleitende Interesse ist ein technisches. Beweis: ‚technische Entwicklung’ folgt ‚einer Logik’, ‚die der Struktur zweckrationalen und am Erfolg orientierten Handelns, das heißt doch: der Struktur der Arbeit, entspricht’. Aber Arbeit ist nicht alles. Es gibt auch noch den ’Zusammenhang kommunikativen Handelns’, und in den treten wir ein, wenn wir mit anderen sprechen. Das nennt man ‚symbolisch vermittelte Interaktion. Sie richtet sich nach obligatorisch geltenden Normen, die reziproke Verhaltenserwartungen definieren und von mindestens zwei handelnden Subjekten verstanden und anerkannt werden müssen.’ ‚Der institutionelle Rahmen einer Gesellschaft besteht aus Normen, die sprachlich vermittelte Interaktionen leiten’, und auch die ‚mythischen, religiösen und metaphysischen Weltbilder gehorchen der Logik von Zusammenhängen der Interaktion. Sie geben Antwort auf die zentralen Menschheitsprobleme des Zusammenlebens und der individuellen Lebensgeschichte.’ Das erkenntnisleitende Interesse, das hier waltet, ist ein praktisches: es ist nicht auf Naturbeherrschung aus, sondern ‚der Intention des ‚guten Lebens’ verpflichtet.“ (Türcke, in: Gegen Habermas, S. 23 (27))

Nach Habermas ist es die Aufgabe der Lebenswelt, den Bereich der Systemwelt zurückzudrängen, um den Bereich sozialer Interaktion auszuweiten. Hatten Marx und auch Horkheimer und Adorno die autonome Bestimmung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch die Individuen erst jenseits des Kapitalismus für möglich gehalten, eine begrenzte Autonomie zeigt sich nur im Eintreten für eine bessere Welt, so meint Habermas, dass Lebenswelt und „System“ entkoppelt und streng geschieden wären und die Lebenswelt die Sphäre der Ökonomie, die zwar notwendig sei, zurückzudrängen habe, um ein gutes Leben anstreben zu können. Mit der Floskel von der „Kolonisierung der Lebenswelt“ suggeriert Habermas, „die Pathologien, die durch die Subsysteme zweckrationalen Handelns verursacht werden, kämen von außen wie von einem fremden Kontinent.“ (Schiller, in: A. a. O., S. 116) Die Trennung von System der Ökonomie und Lebenswelt stellt die Ökonomie außerhalb einer radikalen Kritik, die kapitalistische Produktionsweise soll lediglich zurückgedrängt werden, um der Lebenswelt Raum zu schaffen (a. a. O., S. 118), aber nicht selbst ein zu negierender Gegenstand einer kritischen Theorie sein.

„Die Faszination des Begriffs Lebenswelt, für die seine rapide Verwandlung in eine Floskel (vgl. Höffe, S. 248) spricht, dürfte sich nicht nur aus dem Pseudokonkreten und der heilen Ganzheit erklären, die er zu assoziieren erlaubt. Im Wort ‚Lebenswelt’ schwingt die Bedeutung mit, ein solches Sein wäre auch Selbstzweck.“(Schiller: A. a. O., 117) Genau dieser Ansicht ist auch Höffe, wenn er von den realen ökonomischen Bedingungen völlig abstrahiert, sie – wenn überhaupt – nur als moralisches Problem in den Blick nimmt: Wie viel Wohlstand einem Individuum zum Glück ausreicht oder ob das Streben nach Reichtum dem Individuum zum Wohl anschlägt.

Doch diese Dichotomie von Systemwelt und Lebenswelt, von instrumentellem Handeln und ästhetischem, normativ-praktischem, kommunikativem Alltagsleben widerspricht der Wirklichkeit heutiger Gesellschaften. „Daß es derselbe Mensch mit demselben Intellekt ist, der da arbeitet und mit andern spricht, daß seine Denkformen dabei gleichbleiben und nicht mal die Gestalt einer technischen, mal einer kommunikativen Logik annehmen, ist gar nicht erst Thema. Weil Arbeit und Sprache nicht dasselbe sind, fällt kurzerhand auch die Frage aus, wie sie vermittelt sind“. (Türcke, a.aO., S. 23)

„Die Interaktion der Individuen ist wenn auch nicht völlig determiniert, so doch bis in die innersten subjektiven Regungen hinein entscheidend beeinflußt durch das heteronome Bewegungsgesetz des Kapitalverhältnisses, das, solange der ziellos in sich kreisende Prozeß der Verwertung des Werts geschichtsmächtiges Prinzip der Vergesellschaftung bleibt, ‚System und Lebenswelt’ zu Erscheinungen seiner selbst als des (Un-)Wesens depotenziert. Auch in der ‚Lebenswelt’ sind die Individuen primär durch ihre Stellung im Produktionsprozeß bestimmt. Über das verborgene Prinzip ihrer Vergesellschaftung können sie nicht frei verfügen und reagieren darauf gezwungenermaßen, wie die nichtkonformistische analytische Sozialpsychologie gelehrt hat, durch Internalisierung des heteronomen Zwangs. Als konkurrierende Verkäufer der Ware Arbeitskraft gleichen die Subjekte noch im Residuum der Privatsphäre und des Alltagslebens eher fensterlosen Monaden als kommunikativ Interagierenden, und die Annahme einer prästabilierten Harmonie verständigungsorientierter Alltagspraxis wirkt angesichts dessen nicht überzeugender als die Unterstellung der metaphysisch-theologischen bei Leibniz.“ (Schweppenhäuser, in: A. a. O., S. 136 f.)

Wie weit heute die Ökonomie die Individuen bestimmt, zeigt Heidbrink am Beispiel der Flexibilisierung der Arbeitskraft: „Der Umstand, daß der Arbeitnehmer seine eigene Arbeitskraft organisieren muß, erhöht nur scheinbar seine Autonomie. In Wirklichkeit führt die Entwicklung, so die arbeitssoziologische Diagnose, zu einer anwachsenden Fremdbestimmung durch verinnerlichten Leistungsdruck und zur Verbetrieblichung der gesamten Lebensführung, die unter das Diktat der Selbstökonomisierung gestellt wird.“ (Kritik der Lebenskunst, S. 274)

Das ist keine Kolonisierung der Lebenswelt, die auch zurückgedrängt werden könnte mittels „normativ-praktischer Kommunikation“ oder gar durch den Idealismus der Werte, die aus der idealen Sprechsituation abgeleitet werden, sondern die reale Subsumption der Arbeitskraft unter das Kapital. Beide, System (Ökonomie) und Lebenswelt, sind durch ein und dieselbe bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft hervorgebracht und werden durch deren Mechanismen bestimmt. Die Produktivkräfte haben heute einen technischen Stand erreicht, der eine Qualifizierung der Arbeitskraft benötigt, die einmal hoch spezialisiert sein, zum anderen flexibel den Bewegungen des Kapitals sich anpassen muss. Doch auch bei Habermas verhindert eine illusionäre Theorie wieder, die intellektuelle Durchdringung der Verhältnisse und leistet der völligen Ökonomisierung des Lebens Vorschub, obwohl sie vorgibt, das Gegenteil zu tun. Ihre objektive Funktion besteht darin, „den theoretischen Verblendungszusammenhang zu verstärken, der sich vor die begriffliche Durchdringung der kapitalistischen Gesellschaft geschoben hat, die die Vorbedingung ihrer Veränderung wäre.“ (Schweppenhäuser, in: Gegen Habermas, S. 140 (28)

9.    Die Glückslehre (Eudaimonismus) bei Höffe

Liest man Höffes Kapitel über das Glück, dann gewinnt man den Eindruck, es handle sich um einen Glücksverhinderungstext …

Höffe spricht im Titel seines zweiten Teils von „Prinzip Glück: Eudaimonismus“. Lässt sich dies noch bei Aristoteles rechtfertigen, insofern dieser eine objektive Bestimmung der Glückseligkeit macht, ein Glück, das von allen um seiner selbst willen angestrebt werden soll und dem alle anderen Ziele untergeordnet sind, so ist seit der Frühneuzeit Glück immer auch subjektiv bestimmt, weil das Individuum in seiner Subjektivität aufgewertet wurde und es eine viel größere Auswahl von Glücksgütern und mehr Möglichkeiten zum Glück hat. Ist Glück aber immer auch etwas Subjektives – das gilt auch für Höffes Erörterungen -, dann kann Eudämonie kein Prinzip sein. Auch bestimmt Höffe nicht, was er unter dem Prinzip Glückseligkeit meint, es sei denn in solch banalen Sprüchen wie: „Alle Menschen verlangen nach Glück“ (S. 74), ein Spruch, der noch dazu in dieser Allgemeinheit falsch ist. Kant hat zurecht Glückseligkeit als Bestimmungsgrund von Moral abgelehnt – eben weil es aufgrund der Vielfalt von Vorstellungen, was es sei, keine einheitliche Bestimmung, also kein Prinzip, abgeben könne.

Glückseligkeit meint nach Höffe zweierlei: „Strebensglück“ und Glück durch Tugend (zur letzteren siehe unter „Kritik der Tugendlehre“). Strebensglück ist das „Leben“, „das man bewußt und freiwillig vollzieht“ und welches „das Dasein im Ganzen gelingen läßt“ (S. 81). Es ist der „Inbegriff der Befriedigung und Erfüllung“ unserer „Triebe, Bedürfnisse und Leidenschaften, auch Interessen, Wünsche und Sehnsüchte“ (S. 82). Formal sei es mit Aristoteles „das höchste Ziel“, das „nicht außerhalb, sondern im Vollzug liegt“ (S. 83). „Glück liegt im gelungenen Lebensvollzug“ (S. 87). Mit seiner Abgrenzung des Glücksverständnisses von der „Glückshybris im Sehnsuchtsglück“ und der „Glücksperversion“ (S. 87) verweist er bereits hier auf die Notwendigkeit, Glück moralisch einzuschränken. Damit dies Glück möglich wird, kann die Philosophie als Lebenskunst nur „Regeln zweiter Stufe“ (S. 92) anbieten, sie begrenzen die „vier Lebensziele“: Lust, Wohlstand, Macht und Ansehen.

Eine Lebenskunst kann sich aber nicht nur mit solch formalen Bestimmungen und Einteilungen zufriedengeben. Höffes inhaltlichen Bestimmungen, Ratschläge und Maximen sind dann allerdings eher ein Appell, die Glückseligkeit gar nicht so wichtig zu nehmen. „Man halte sich im Werktagsglück für das Sonntagsglück offen!“ (S. 103) Man vermeide eine „Versicherungsmentalität in der Lebensführung“ (S. 103). Höffe warnt vor einer „Gefahr der Unersättlichkeit“ (S. 102). „Der erste Baustein objektiver Lebenskunst richtet sich gegen ein Übermaß an Erwartungen, das notwendigerweise in Enttäuschungen umschlägt.“ (S. 102) Gegen die „Hybris der Glückssuche“ (S. 102) helfe nur, seine Lebensträume „den Schwierigkeiten der Weltlage anzupassen“ (S. 101). Man solle „ein glückliches Leben“ führen, „ohne auf der Insel der Seligen zu leben“ (S.101). Und gegen „ein Gefühl der Leere und Sinnlosigkeit“ helfe der wieder erneuerte „Glaube an Gott“ (S. 97). Gegen die Gefahr der Unersättlichkeit (pleonexia)“ helfe nur die Erkenntnis: „Das endgültige Heil ist Sache der Gottheit“, „das Göttliche (ist) in gewisser Weise schon in uns“ (S. 102).

Letztlich läuft alles auf Glück als Bescheidenheit hinaus, auf „Sinndiät“: „Man hoffe auf die große Versöhnung und verstehe trotzdem, mit Entfremdungen zu leben.“ (S. 103) Was die kapitalistische Gesellschaft dem Menschen aufzwingt, wird bei Höffe noch einmal als „Doppelstrategie“ zum Glück verkauft.

Glück, das nicht nur den glücklichen Augenblick meint, der nach Freud aus dem Kontrast zum Leid oder zum Alltag entsteht, oder den glücklichen Zufall, der nicht von uns abhängt, ein Glück also, das eher eine Lebensweise ist, wird in der philosophischen Tradition bestimmt als dauerhafte Übereinstimmung des Individuums mit seiner Vernunft und seiner natürlichen und sozialen Umwelt. „Glücklich ist derjenige, welcher sein Dasein seinem besonderen Charakter, Wollen und Willkür angemessen hat und so in seinem Dasein sich selbst genießt.“ (29) Ein solches Glück, in dem der Mensch Selbstzweck ist und das die frühbürgerliche Gesellschaft zu versprechen schien, ist aber in der etablierten kapitalistischen Gesellschaft nicht möglich.

Nicht nur dass ich als Lohnabhängiger meinen Lebensunterhalt nur verdienen kann, indem ich mich einem fremden Willen unterwerfe und so tendenziell zum bloßen Mittel für andere und anderes werde, auch die materiellen Glücksgüter, für die mein Lohn ausreicht, sind durch die entfremdeten Produktionsverhältnisse geprägt. Erster Zweck der Kapitalproduktion ist nicht die Befriedigung von Bedürfnissen, sondern die Produktion von akkumulierbarem Mehrwert, um damit wieder mehr akkumulierbaren Mehrwert zu produzieren. In dieser verselbstständigten Produktion um der Produktion willen ist der Gebrauchswert nur „materielles Substrat, Träger des Tauschwerts“, kein Ding, „das man um seiner selbst willen“ produziert (Marx (30)). Diese Tatsache, die dem kapitalistischen System immanent ist, muss Konsequenzen für das Glück der Menschen haben.

Es werden künstliche Bedürfnisse erzeugt, die mit einer neuen Warenart schnell wieder veralten, sodass der Genuss nicht sich am Gegenstand festmacht, sondern am Akt des Kaufens und am Haben der Dinge, die up to date sind. Die Amüsierwaren sind für den schnellen massenhaften Genuss produziert, können deshalb nicht mit der eigenen ästhetischen Vernunft übereinstimmen und zerstören diese. „Glück reduziert sich vielfach aufs Amusement, die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus. Es wird von dem gesucht, der dem mechanischen Arbeitsprozeß ausweichen will, um ihn von neuem gewachsen zu sein. Zugleich aber hat die Mechanisierung solche Macht über den Freizeitler und sein Glück, sie bestimmt so gründlich die Fabrikation der Amüsierwaren, daß er nichts anderes mehr erfahren kann als die Nachbilder des Arbeitsvorgangs selbst. Der vorgebliche Inhalt ist bloß verblaßter Vordergrund; was sich einprägt, ist die automatisierte Abfolge genormter Verrichtungen. Dem Arbeitsvorgang in Fabrik und Büro ist auszuweichen nur in der Angleichung an ihn in der Muße“ (Adorno/Horkheimer(31)).

Geistige Produkte sind niemals allein an irgendwelchen Qualitätskriterien ausgerichtet, sondern immer auch mit Ideologie durchsetzt, sodass man kaum Chancen hat, sich dem Verblendungszusammenhang, den sie als Masse der geistigen Waren (Bücher, Fernsehen Bildungseinrichtungen usw.) darstellen, zu entziehen. Die Vielgestaltigkeit der Wirklichkeit, insofern sie Glücksmöglichkeiten enthält, wird durch die Medienkonzerne auf Stereotypen reduziert, da diese einen Wiedererkennungswert haben, der den Verkaufsinteressen der Konzerne entspricht.

Ist das Bewusstsein der meisten Menschen durch die gesellschaftlichen Stereotypen und Ideologeme geprägt, dann entsteht in ihrem Denken ein Widerspruch zwischen den Möglichkeiten einer avancierten Vernunft und den ideologischen Instanzen, der meist dazu führt, dass dieses Denken seinen objektiven Interessen widerspricht, sich selbst als Vernunft zerstört und zum inneren Feind wird. Dies führt zur Zerstörung des Realitätsbewusstseins in Bezug auf die Gesellschaft als Ganze, von deren Bewegung man gleichwohl abhängig bleibt. Rationales Denken, das eigene Selbst nach Aristoteles und Kant, gehört aber notwendig zum menschlichen Glück dazu – soll der Mensch nicht auf seine tierischen Funktionen reduziert werden.

Und selbst der, welcher den gesellschaftlichen Verblendungszusammenhang durchschaut, kann zwar das zweifelhafte Glück des Geistes genießen, aber allein als geistige ist Glückseligkeit nicht denkbar. Ein solch erkennendes Bewusstsein ist glücklich, insofern es erkennt, und zugleich unglücklich, weil das Erkannte im krassen Widerspruch mit seiner Vernunft steht. Nichtsdestotrotz ist das unglückliche Bewusstsein die heute einzig angemessene Gestalt des Bewusstseins, nicht wegen des zweifelhaften individuellen Glücksgefühls des Durchschauens, sondern weil die sozialen Probleme nur lösbar sind, wenn sie erkannt werden.

Glück in der emphatischen Bedeutung, wie es oben definiert wurde, ist in einer kapitalistischen Gesellschaft unmöglich. Bestenfalls provisorisches Glück in den Nischen der Gesellschaft ist möglich – oder im Kampf, in den gelungenen Schritten für eine bessere Gesellschaft. „Solange der alle sozialen Verhältnisse bestimmende gesamtgesellschaftliche Zweck die Mehrwertproduktion ist, kann der Gedanke des wahren Glücks nur in der moralischen Anstrengung aufgehoben sein, diese Verhältnisse, die ihm entgegenstehen, zu beseitigen. Es macht das Dilemma heutigen Glücksstrebens aus, das wie immer auch provisorische Glück in der Gegenwart einer möglichen Glückseligkeit in der Zukunft partiell opfern zu müssen.“ (32)

Höffe dagegen opfert den Gedanken des wahren Glücks, d. h. die nach dem Stand der Produktivkräfte und der avancierten Vernunft gegebenen Möglichkeiten, zugunsten einer Anpassung an das Bestehende, das dauerhaft dieses wahre Glück verhindert.

10.   Kritik der Tugendlehre

Tugend ist nach Höffe (Aristoteles folgend) eine „positive Spontaneität eigener Art“, die nicht nur eine Disposition ist, sondern die praktisch wird.(S. 126) Sie ist eine „zur Haltung gewordene Fähigkeit und Bereitschaft“, eine „Zweite Natur“ (S. 185), die durch Übung und Gewöhnung erlernt werden muss.

Nach Aristoteles gehören die Tätigkeiten (als Tugenden) zum Glück, die man um ihrer selbst willen ausführt. Das Betrachten der Welt, das kontemplative Denken, das nicht auf Arbeit bzw. das Praktische bezogen ist. Die Betätigung der dianoetischen Tugenden ist Glückseligkeit, weil das begriffliche Denkvermögen und deren an Wahrheit orientierte Betätigung durch die dianoetischen Tugenden (Verstand, Vernunft, Urteilskraft) am meisten der Mensch als Mensch ist, weil sie unser Selbst als Menschen ausmachen, weil diese dianoetischen Tugenden uns von den Tieren unterscheiden und die sinnliche Lust nicht an die Lust der intellektuellen Erkenntnis heranreicht.

Auch wenn darin die elitären Vorstellungen einer von Arbeit befreiten Gruppe von Herrschenden in der antiken Polis zum Ausdruck kommen, wahr daran ist, dass Glück ohne ein Glück des Geistes nicht denkbar ist, will man Glück nicht unterhalb dessen ansiedeln, was dem Menschen möglich ist und in der Antike zeitweise möglich war.

Die ethischen Tugenden jedoch, die auf die menschliche Praxis (das Handeln in der Polis) gehen, werden nur teilweise um ihrer selbst willen betätigt – insofern gehören sie zum Glück -, teilweise aber haben sie Ziele außerhalb ihrer, nämlich die Verbesserung der Polis – insofern gehören sie nicht direkt zur Glückseligkeit, sondern schaffen bestenfalls die Bedingungen für diese. So sagt Aristoteles: „Wir führen Krieg, um den Frieden herbeizuführen oder zu sichern.“ Tapferkeit im Krieg ist aber selbst noch kein Glück, sondern kann dies durch Verwundung oder Tod geradezu vernichten (wie auch Höffe schreibt). Also kann die Betätigung der ethischen Tugenden insgesamt kein Glück sein.

Da Höffe aber den Leser dahin bringen will, in der Betätigung der ethischen Tugenden (Tapferkeit, Freigebigkeit, Gerechtigkeit, Klugheit usw.) selbst Glück zu sehen, reduziert er wieder auch in seinem Tugendteil das Glück. Zwar setzt Höffe Tugend nicht mit dem Glück gleich, wie die Stoa, aber dennoch könnten auch die ethischen Tugenden glücklich machen. Höffe fordert „beim Prinzip Glück tugendhaft“ zu werden (S. 180). „Während der tugendlose Weg leicht in den Abgrund des Scheiterns führt, schützt die Tugend zwar nicht vor jedem Ungemach, mit ihrer Hilfe wird aber das geglückte Leben hochwahrscheinlich.“ (S 177)  Ein Lohnabhängiger, der „Rechtstreue“ wahrt, in Bezug auf seinen Unternehmer „Rücksichtnahme“ praktiziert und „Kooperationsbereitschaft“ zeigt, um sich brav ausbeuten zu lassen, „und als Vollendung sogar Liebe“ (S. 181) für seinen Ausbeuter empfindet, der schädigt nicht nur sich, sondern auch seine Kollegen durch unsolidarisches Verhalten – Höffe nennt das „aufgeklärtes Selbstinteresse“.

Nun könnte man Tugend an moralisch vertretbaren Zielen orientieren, wie z. B. Solidarität unter Kollogen gegen das Kapital. Aber es gibt gewichtige Gründe gegen den Tugendbegriff als solchem. Was ist z. B. mit einem Arbeiter, der SPD-Anhänger ist, der aus Gewohnheit solidarisch mit seiner Partei ist, obwohl sie längst einen neoliberalen Kurs gegen seine Interessen eingeschlagen hat? Seine Tugend der Solidarität wird zum inneren Feind seiner Interessen und Ziele.

Tugend als wesentlicher Teil einer rationalen Moral bestreite ich, nicht aus einer immanenten Aristoteleskritik heraus, sondern weil heute der Begriff der Tugend selbst höchst problematisch ist. In einer weitgehend traditionellen Gesellschaft wie noch in der griechischen Polis zu Aristoteles Zeiten ist dies eine angemessene Moralkonzeption. Einmal erlernte Tugenden konnten das Leben in der Polis für eine gewisse Dauer absichern – jedenfalls für die Angehörigen des Kollektivs der Herrschenden. Eine Tugendlehre ist deshalb immer Ethik, d. h. eingesenkt in die Sittlichkeit der Gesellschaft. Sie kann nicht in Opposition zur sozialen Wirklichkeit stehen wie etwa die Kantische Moralphilosophie (soweit sie nicht Tugendlehre ist). Tugendlehre affirmiert dadurch immer die vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse und ist deshalb so beliebt bei den konservativen Denkern und Politikern. Da sie aber wie jede Moral und Ethik (Sittlichkeit) bis heute immer eine von antagonistischen sozialen Verhältnissen war und ist, muss sich der Widerspruch der Gesellschaft auch immanent in ihrer Konstruktion zeigen.

Heute, in einer Zeit, in welcher die kapitalistische Produktionsweise ständig nicht nur die Produktionsmittel revolutioniert, sondern auch die Kultur, die Sinnlichkeit durch neue Kulturwaren, die Berufe durch Veränderungen in der Technik (wer hat in seinem Leben nur einen Beruf?), die private Lebensführung durch die geforderte Flexibilität der Arbeitskräfte, die Begegnung mit anderen Kulturen durch den Tourismus usw. – heute ist eine Moral als Tugendlehre problematisch – unabhängig von der konkreten Bestimmung der Tugend.

Höffe gesteht selbst zu, dass die Gesellschaft unterschiedliche und z. T. widersprechende Anforderungen an das Verhalten stellt. „Allerdings wird von den zuständigen ‚Autoritäten’, etwa den Eltern, Lehrern und Gleichaltrigen, nicht immer dasselbe gelobt.“(S. 130) Diese Erfahrung ist nicht nur eine des persönlichen Umgangs mit diesem oder jenem Individuum oder der Vielfalt des sozialen Umfelds, sondern eine der Struktur der Gesellschaft. In der Gewerkschaft benötige ich andere Tugenden als im Unternehmerverband, bei der Polizei andere denn als Demonstrant. Als jemand, der von seinem Kapital lebt, entwickle ich andere Tugenden als ein Obdachloser, der von seiner Geschäftsbank ruiniert wurde. Und wechselt mein Milieu, mein sozialer Status oder nur die Region, wehe meine Tugenden sind dann zur zweiten Natur geronnen oder nicht mehr zeitgemäß.

Höffe unterscheidet Sekundär- von Primärtugenden (S. 128). Zu den Sekundärtugenden zählen: „Pünktlichkeit, Ordnungsliebe, Sparsamkeit und Fleiß“. Als Bandarbeiter muss ich pünktlich sein, weil sonst das Band stillsteht, wenn einer in der Arbeitskette fehlt. Als Angestellter mit flexibler Arbeitszeit oder als Heimarbeiter am Computer spielt diese Sekundärtugend überhaupt keine Rolle mehr. Im Produktionsbetrieb muss sich sparsam mit dem Material umgehen, als Käufer soll ich meinen Lohn an überflüssige Produkte verschwenden usw. Wenn ich aber eine Tugend nur zeitweise benötige oder einmal in diesem Bereich – im anderen aber nicht, unter anderen Umständen wieder anders, dann sind die Tugenden als Gewöhnung, als zweite Natur, als „’in Fleisch und Blut’“ (S. 130) übergegangene Verhaltensmuster wertlos, überflüssiger Charakterballast für die nächste Stufe der Entwicklung, für die neuen Anforderungen des Kapitals, dem ich meine Arbeitskraft verkaufen muss, wenn ich leben will.

Ebenso gilt diese Kritik für die „Primärtugenden“, als da bei Höffe sind: „Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft oder Gerechtigkeit“, Tugenden, die „zum Menschen als Menschen“ (S. 129) gehören. Wenn ich in der antagonistischen Gesellschaft immer ehrlich bin, werde ich von Abzockern ausgenommen; wenn ich die Tugend der Hilfsbereitschaft mir anerzogen habe, werde ich von anderen ausgenutzt – Höffes Lösung dieses Konflikts, von Fall zu Fall zu entscheiden, zerstört diese Tugenden als Tugenden, sie würden zu zufälligen Verhaltensweisen, die sie als Tugenden nicht sein sollen. Und wenn ich „Gerechtigkeit“ als Tugend wirklich ernst meine, dann müsste ich den großen Diebstahl, der täglich in der bürgerlichen Gesellschaft stattfindet, die kostenlose Aneignung des Mehrwerts, den die Lohnabhängigen erarbeitet haben, also den Diebstahl durch das Kapital, abschaffen.

Ein Moralkonzept, das auf Tugenden im klassischen Sinn wie bei Höffe basiert, widerspricht der permanenten Kulturrevolution im Kapitalismus und den antagonistischen Verhältnissen, zwei Sachverhalte, die auch die Verhaltensweisen betreffen und die kein einheitliches Verhalten zulassen. Schon Hegel wusste, dass dem „Bewußtsein der Tugend (…) das Gesetz das Wesentliche und die Individualität das Aufzuhebende“ ist (29). Dies widerspricht nicht nur dem Eudämonismus, den Höffe auch will, ein Widerspruch, an dem sich das Buch abarbeitet, sondern muss auch das Individuum zerstören, um dessen Glück es angeblich geht. Wird das „Gesetz“, die Allgemeinheit, die Gesellschaft… als antagonistisch erkannt, dann bedeutet „die eigene Individualität in die Zucht unter das Allgemeine“ (34) zu nehmen, das Individuum widersprüchlichen Tugenden zu unterwerfen oder es zur Schizophrenie zu erziehen. Das „an sich Wahre und Gute“, durch eine von den gesellschaftlichen Verhältnissen abstrahierende Vernunft bestimmt, steht im Widerspruch zur gesellschaftlichen Substanz der Individuen, in der es verankert werden soll. Will sich das Individuum an der avancierten Vernunft orientieren, dann sind die durch das falsche Allgemeine geprägten Tugenden – und andere funktionieren nicht – das Gegenteil der Vernunft; die zweite Natur wird zum Feind des als wahr Erkannten.

Auch affirmativ funktionieren die Tugenden nicht. Die Höffeschen Tugenden verinnerlicht als zweite Natur werden mir darüber hinaus zum inneren Feind meines stets sich ändernden, gesellschaftlich geprägten Selbst. (Vgl. Ludger Heidbrink, Kritik der Lebenskunst S. 274; und auch unten die Kritik am Positivismus.)

Diese Kritik an einer heutigen Tugendlehre muss jedoch in zwei Aspekten eingeschränkt werden. Diese Kritik betrifft erstens nicht die geistigen oder dianoetischen Tugenden (der rechte Gebrauch von Verstand, Vernunft und Urteilskraft, Klugheit usw.), soweit diese ihrem immanenten Anspruch gemäß betätigt werden und nicht gesellschaftlich blind sind wie bei Höffe. Die Vernunft im Individuum ist lebenswichtig, das Individuum muss die Antagonismen (unauflösbare Widersprüche) der Gesellschaft erkannt haben, wenn es nicht blind in diesen zerquetscht werden will. Hier muss das Individuum auch ein „unglückliches Bewusstsein“ (Hegel) aushalten, d. h. ein Bewusstsein, das die Differenz zwischen dem heute Möglichen und der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die dieses Mögliche verhindert, obwohl es dringend nötig ist, nicht verdrängen darf.

11.   Kritik der abstrakten Negation der moralischen Erkenntnis im Positivismus

Die zweite Einschränkung bezieht sich auf die Folgen aus der Kritik an der Tugendlehre. Da diese wie alle Moral in der antagonistischen Gesellschaft widersprüchlich ist, hat der Positivismus  jegliche Moral eliminiert und das Verhalten der Menschen auf die Kalkulation des Erfolgs beliebiger Ziele in der Gesellschaft reduziert. Moral und das Nachdenken über Moral (Moralphilosophie/Ethik) ist aber nicht nur Ideologie, d. h. gesellschaftlich notwendig falsches Bewusstsein zur Herrschaftssicherung, sondern das Denken ist selbstmächtig genug, aus sich und seiner Gesellschaftsanalyse den Maßstab der Kritik an den bestehenden antagonistischen Verhältnissen zu entwickeln. Dass die Menschen die Herrschaft des Kapitals nicht nur durch eine neue Form der Herrschaft ersetzen, sondern Herrschaft von Menschen über Menschen überhaupt abschaffen, ist ein Gedanke, der nicht in der bestehenden Herrschaft und deren gesellschaftlichem Sein liegt, sondern erst durch Moralphilosophie aus ihr als bessere reale Möglichkeit des Bestehenden entwickelt werden muss. Es genügt nicht, das kapitalistische Wirtschaftssystem abzuschaffen. Erst eine emanzipatorische Perspektive führt zu einer besseren Welt, in der Glück möglich wird.

Dass Menschen nicht mehr über Ihresgleichen herrschen sollen – und sei es mittels eines entfremdeten Mechanismus -, ist nichts anderes als der aus der Vernunft begründete kategorische Imperativ, den Menschen niemals bloß als Mittel (wie in der Kapitalproduktion), sondern immer auch als Zweck an sich selbst zu behandeln (d. h. in einer „Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Marx/Engels: Manifest, S. 482 (35)).

Ein weiteres Argument gegen die Möglichkeit, heute Moral als handlungsrelevant für die Gesellschaft zu bestimmen, ist die Tatsache, dass die Menschen in Funktionszusammenhänge eingebettet sind, die ihnen das Verhalten vorschreiben und die zumindest der Moral der Aufklärungszeit widersprechen. Ich habe oben gezeigt, dass ökonomische Mechanismen unser Leben bestimmen und uns tendenziell zum bloßen Mittel machen. Überleben in der kapitalistischen Gesellschaft heißt, sich ihren Mechanismen anpassen. Wer dies nicht tut (oder vom Kapital nicht gebraucht wird), der wird tief unter den kulturellen Durchschnittsmöglichkeiten zwar in Westeuropa noch am Leben erhalten, aber ohne Zugang zu den Kulturgütern, mit unerfüllbaren Sehnsüchten, die von der Warenwelt ihm eingeflüstert werden, bis hin zur Depression; er ist schlecht ernährt, seine sozialen Kontakte frieren ein, er wird eher krank und stirbt eher als der Durchschnitt.

Heidbrink fragt: „Leben wir nicht längst im postautonomen Zeitalter?“  Und er führt Argumente aus der Hirnforschung, der Soziologie und der Medizin an, die eine Autonomie des Menschen  - wenn nicht einfach anthropologisch – so doch für die Gesellschaft der Gegenwart bestreiten oder so stark eingeschränkt erweisen, dass jede Lebenskunst daran scheitern muss.

„Die Rede von der Bastelexistenz, dem Patchwork der Identitäten, dem flexiblen und nomadischen Selbst macht deutlich, daß die Realisierung der Selbstbestimmung in hochgradig unbestimmten Handlungsräumen stattfindet, die mit einer Überforderung des nach Autonomie und Selbstverantwortung strebenden Individuums einhergehen. Der Medizinsoziologe Alain Ehrenberg hat die Zunahme an Depressionen als Indiz interpretiert, daß es immer weniger Menschen gelingt, die sozialen Forderungen nach mehr Selbstständigkeit und Autonomie zu erfüllen. Die depressive Erkrankung bildet das paradoxe Resultat eines gesellschaftlichen Individualisierungsprozesses, der das einzelne Subjekt zwar aus traditionellen Bindungen und Abhängigkeiten befreit hat, es aber in zunehmenden Maß daran scheitern läßt, die Verantwortung für das eigene Leben und Handeln zu übernehmen.“ (Heidbrink, in: Kritik der Lebenskunst, S. 276)

Wie immer man die Erscheinungsform des Mangels an Autonomie einschätzt, solange die Menschen hauptsächlich davon leben, ihre Arbeitskraft zu verkaufen und sich fremdem Kommando in ihrer ökonomischen Existenz unterwerfen zu müssen, solange ist Emanzipation, Autonomie und selbstbestimmtes Glück nur ein zu erstrebendes Ziel, das erst jenseits des Kapitalismus erreichbar ist.

Dieses Ziel strebt aber der Positivismus nicht an, er verdoppelt nur das, was ist, in der Theorie. So sieht Heidbrink die Phänomene, zieht daraus aber keine Konsequenzen zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Er stellt die Diagnose, verzichtet aber auf jegliche Therapie.

„Das Autonomieprinzip bildete ursprünglich das Leitideal des emanzipierten Individuums, das sich aus naturwüchsigen Verhältnissen befreit, die Fesseln fremder Herrschaft abstreift und in eine unverkürzte Beziehung zu sich selbst tritt. Dieses aufklärerische Verständnis menschlicher Autonomie ist heute in sein Gegenteil umgeschlagen. Die Ausbreitung der kapitalistischen Marktwirtschaft, die Notwendigkeit der flexiblen Lebensführung und das Erfordernis des persönlichen Selbstmanagements haben dazu geführt, daß die Autonomie kein Ideal der gesellschaftlichen Emanzipation mehr bildet, sondern vielmehr ein Prinzip der Integration des Individuums in funktionale soziale Zusammenhänge.“ (Kritik der Lebenskunst, S. 273 f.)

Die dargestellten Erscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft werden vom Positivismus als Fakten hingenommen, aber nicht kritisiert. Autonomie war einmal ein „Leitideal“, ist es aber nicht mehr – basta. Also hat man sich irgendwie illusionslos mit der Unmöglichkeit von Autonomie - sei es anthropologisch, sei es als Tendenz der Gegenwart – abzufinden. Selbst die Autonomie des Geistes, die einem Denkenden heute durchaus möglich ist, wird aufgegeben, indem man sich auch intellektuell an die Verhältnisse angepasst. Da der Positivist auch sich selbst als Philosoph keine Autonomie zugesteht, kann er diese Tendenz auch gar nicht kritisieren, denn Kritik setzt einen moralischen Maßstab voraus, der wiederum zumindest autonomes Denken zur Prämisse hat. Andererseits zeigt der Hinweis auf das „aufklärerische Verständnis menschlicher Autonomie“, dass selbst der Positivismus noch nicht einmal die Phänomene erfassen könnte, ohne einen verschämten Rest an autonomen Gedanken. Dass wir heute nicht autonom sind, setzt den Gedanken der Autonomie immer schon voraus.

Konsequent zu Ende gedacht wird eine Gesellschaft bestätigt, die Menschen in ihrem autonomen Handeln drastisch einschränkt, sie zu bloßen Funktionsträgern reduziert, sodass am Ende die Vernichtung von funktionslosem Leben (Euthanasie), das Experimentieren an Menschen (Embryonengesetz) oder die Liquidierung einer überschüssigen oder ausgegrenzten Bevölkerung (Auschwitz) hingenommen wird. Wenn der Mensch zum Menschenmaterial wird, dann hat der Positivismus dem noch nicht einmal mehr gedankliche Kritik entgegenzusetzen, er verdoppelt nur die entfremdeten Zustände im Bewusstsein. Und die Systemtheoretiker und die Positivisten ordnen sich selbst in den Funktionszusammenhang der Ideologieproduzenten ein.

Höffe ist der Gedanke, dass die Menschen in Funktionszusammenhänge eingebettet sind, aus der Systemtheorie von Luhmann bekannt. Diese stellt er so dar:

„Moderne Gesellschaften bestehen nämlich aus relativ selbständigen Funktionssystemen. Und jedes von ihnen, etwa die Wirtschaft, die Wissenschaft und die Politik, seien ihrer eigenen, funktionsspezifischen Normativität unterworfen, die Wissenschaft beispielsweise der Unterscheidung von Wahr und Falsch und die demokratische Politik dem Zusammen- und Widerspiel von Regierung und Opposition. Die Moral sei aber eine funktionsunspezifische Normativität, die daher in einer nach Funktionssystemen gegliederten Gesellschaft arbeitslos geworden sei.“ (S. 33)

Wäre diese Ansicht wahr, dann müsste Höffe seine Absicht, Glück und Tugendmoral zu verbinden, aufgeben. Doch er hat Argumente gegen den moralischen Nihilismus der Systemtheorie.

Die funktionsspezifische Einbettung der Personen schließe nicht aus, dass „eine funktionsunspezifische Normativität (…) gleichwohl funktionsspezifisch eingesetzt werden“ kann (S. 33). Als Beispiel könnte Höffe einen Soldaten anführen, der einen Befehl verweigert, weil er gegen die Menschenwürde verstößt. Damit dieses Argument stichhaltig wird, müsste Höffe zeigen, dass die moralische Normativität in der Gesellschaft nicht nur im Ausnahmefall in die Funktionszusammenhänge der Gesellschaft hineinwirkt, sondern diese prinzipiell bestimmt oder doch bestimmen kann. Diesen Nachweis erbringt Höffe nicht, er versucht es nicht einmal, weil dieser Nachweis in der kapitalistischen Gesellschaft unmöglich ist. Moral ist in ihr immer widersprüchlich. So bedeutet es zum Beispiel, sich für einen „gerechten“ Lohn einzusetzen, zugleich das ungerechte Herrschaftsverhältnis, das Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit, zu bestätigen.

Menschen wie Gandhi oder Martin Luther King waren Ausnahmefälle, die auch nur dadurch erfolgreich waren, weil die jeweilige Gesellschaft von selbst in ihre Richtung drängte. Ein Lohnabhängiger, der den Diebstahl an Mehrwert, den das Kapital einsteckt, auch nur in seinem Betrieb thematisiert, wird sofort entlassen (eigene Beobachtung bei einem Arbeitsprozess). Einen Wissenschaftler aufzufordern, nicht an Massenvernichtungswaffen mitzuarbeiten, verkennt die Möglichkeiten im arbeitsteiligen Wissenschaftsprozess. Oft weiß der Wissenschaftler noch nicht einmal, ob seine Grundlagenforschung dereinst Baustein neuer Terrorwaffen werden kann.

Über das Verhältnis von Humanität und Technik in den Funktionssystemen schreibt Adorno: „In unserer Arbeit sind wir, jeder von uns, in weitem Maße nicht wir selber, sondern Träger von Funktionen, die uns vorgezeichnet sind. Nur in Schundromanen werden große medizinische Erfindungen aus Liebe zu den Menschen gemacht, oder große kriegstechnische aus Patriotismus. Unsere persönlichen Motive, und damit jenes Bereich, das man Ethik zu nennen pflegt, gehen in das, was wir als Berufstätige leisten, nur wenig und vor allem: nur vermittelt ein. Es wäre rückständig, eine Art Maschinenstürmerei auf höherer Stufe, wenn man sich so benähme, als wäre der Atomforscher unmittelbar derselbe wie das Individuum Dr. X., das die Forschung ausübt, und als müssten gar seine privaten Überzeugungen eine Art Kontrolle über seine wissenschaftliche Arbeit ausüben. Ein Ethos, das die Erkenntnis bremst, wäre äußerst fragwürdig. Die Trennung gesellschaftlicher und technischer Vernunft lässt sich nicht überwinden, indem man sie verleugnet. Wohl steht es dagegen an, dass gerade der Techniker warnt vor dem Unabsehbaren, das seine Erfindungen heute der Menschheit androhen. Seine Autorität, die Tatsache, dass er diese Potentialien viel besser einzuschätzen weiß als der Laie, werden seiner Warnung größeres Gewicht verleihen, als den von außen kommenden. Ich glaube aber nicht, dass diese Warnungen entscheiden. Ob die moderne Technik der Menschheit schließlich zum Heil oder Unheil gereicht, das liegt nicht an den Technikern, nicht einmal an der Technik selber, sondern an dem Gebrauch, den die Gesellschaft von ihr macht. Dieser Gebrauch ist keine Sache des guten oder bösen Willens, sondern hängt ab von der objektiven gesamt-gesellschaftlichen Struktur. Die Technik würde nicht nur befreit werden, sondern auch zu sich selbst kommen in einer menschenwürdig eingerichteten Gesellschaft. Wenn den Techniker heute zuweilen der Horror vor dem überfällt, was mit seinen Erfindungen geschehen mag, so ist es wohl die beste Reaktion auf diesen Horror, zu versuchen, etwas zu einer menschenwürdigen Gesellschaft beizutragen.“ (36)

Das zweite Argument von Höffe gegen den Amoralismus der Systemtheorie lautet: Die Moral beziehe sich „nicht nur auf Personen, sondern auch auf Institutionen und soziale Strukturen“ (S. 33). Danach entwickelt das Denken den moralischen Maßstab, mit dem die Institutionen und sozialen Strukturen beurteilt werden können. Dies Argument ist insofern berechtigt, als das menschliche Bewusstsein nicht in seinen Funktionszusammenhängen befangen zu sein braucht, sondern darüber reflektieren kann, z. B. aus den Erfahrungen mit den sozialen Strukturen, die praktische Notwendigkeit ihrer Negation ableiten kann – wie dies Adorno im obigen Zitat macht. Doch auch dieses Argument gegen die Systemtheorie und ihre Negation der Moral, die das Bestehende affirmiert, setzt die Analyse dieser Strukturen voraus, die Höffe nicht leistet und nicht kennt bzw. sich weigert, sie zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb kann er der Systemtheorie auch nur ohnmächtig Ideale aus der philosophischen Tradition entgegenhalten. Ideale, die sich regelmäßig an den sozialen Strukturen, die sie affirmieren und bewerten sollen, blamieren.

Die kapitalistische Gesellschaft funktioniert nicht nach den Kriterien der Moral, jedenfalls nicht nach einer allgemein menschlichen Moral, etwa nach den drei Formen des kategorischen Imperativs und seinen Konsequenzen, wie sie Kant entworfen hat. Konnte Kant noch die Illusion haben, dass in der bürgerlichen Gesellschaft die Menschen sich allmählich moralisieren, ist dies spätestens nach der Marxschen Kapitalanalyse unmöglich anzunehmen. Dennoch haben die Systemtheorie und der Positivismus gegenüber der Moral nicht recht. Das Argument von Höffe, die Moral könne auch die sozialen Strukturen und Funktionszusammenhänge beurteilen, ist richtig, wenn Moral zur Kritik an der Unmoral dieser Strukturen wird. Von dieser Konsequenz will Höffe aber nichts wissen, weil seine Moralphilosophie unter der Prämisse steht, die kapitalistischen Strukturen zu legitimieren. Darin stimmt sein Idealismus mit dem Positivismus überein.

Der Alternative, positivistisch die Moral tendenziell als überflüssigen Ballast über Bord zu werfen oder mit moralisierenden Appellen unverbindliche und banale Ratschläge (Höffe) und durch eine idealisierende Verherrlichung steriler Ideen die praktische Ohnmacht zu dokumentieren, dieser Alternative stellt die Ethik des Widerstandes eine Moral entgegen, die auf Veränderung der Verhältnisse gerichtet ist. Ihre Prinzipien enthalten den Vorschein auf die bessere Möglichkeit des Bestehenden. Moral, aus den gesellschaftlichen Verhältnissen ex negativo gewonnen, wird zum Maßstab der praktischen Kritik an Verhältnissen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein verlassenes, ein unterdrücktes Wesen ist.

 

12.   Was wahre Lebenskunst sein könnte!

Es kann nicht die Aufgabe dieser Kritik an der bürgerlichen „Lebenskunst“ sein, eine Alternative zu entwickeln. Dennoch können einige Hinweise gegeben werden, was heute Lebenskunst sein könnte, wenn sie nicht aus Ideologie besteht, sondern die vorherrschenden Tendenzen des Systems der Kapitalproduktion in ihrer Ableitung von Handlungsprinzipien berücksichtigt.

Lebenskunst, die ihren Anspruch gerecht werden will, müsste konkret anweisen, wie man sich gegen heutige Tendenzen der kapitalorientierten Politiker wehren kann, die versuchen, einen Überwachungsstaat einzurichten, die Menschenrechte (die auf soziale Rechte erweitert gehören) in ihrem Wesensgehalt einzuschränken und die demokratischen Verfahren durch Meinungsmonopole, Lobbyismus und Kungelei der Führenden auszuschalten. Sie müsste den Weg aufzeigen, wie die Menschen sich organisieren können, um die leichenträchtige Ökonomie des Kapitals abzuschaffen – denn nur jenseits des Kapitalismus wird nicht nur erst volles Glück für die Menschen möglich, sondern auf dem Spiel steht auch das Überleben der Gattung.

Wahre Lebenskunst müsste zeigen, wie sich die Menschen gegen die totale Vereinnahmung durch die bestehende Produktionsweise wehren, wie sie sich solidarisieren können, um zumindest die Tendenz zu Hungerlöhnen abzuwehren, darüber hinaus eine bessere Gesellschaftsordnung anzustreben. Nur so ist es möglich, wenigsten das heutige provisorische Glück zu erreichen. Provisorisches Glück muss das heutige Glück bleiben, weil ein glückliches Bewusstsein durch die Erkenntnis des Bestehenden nicht möglich ist. Die Verdrängung aber dessen, was im eigenen Land und in der Welt vorgeht, erzeugt innere Deformationen, kommt als Verdrängtes immer wieder verzerrt ins Bewusstsein und macht die Individuen psychisch krank. Die Lebenskunst muss zur Reflexion der inneren psychischen Dispositionen anregen, damit die Handelnden erkennen, wieweit sie bereits von den widersprüchlichen Strukturen der Gesellschaft geprägt sind.

Lebenskunst müsste deutlich machen, dass eine schlichte Anpassung an die Erfordernisse der bestehenden Gesellschaft krank macht und zur Bewusstseinsschizophrenie führt. Sie müsste eine mentale Distanz zu den gegenwärtigen Verhältnissen einüben. Und sie müsste die besseren Möglichkeiten entsprechend dem Stand der Produktivkräfte explizieren, um die Schäbigkeit der bestehenden Glücksmöglichkeiten deutlich zu machen und die Abschaffung der gegenwärtigen Verhältnisse zu intendieren.

Wahre Lebenskunst müsste den utopischen Überschuss verdeutlichen, der in großer Kunst, Literatur und Philosophie enthalten ist, wie überhaupt eine wahre Bildung, die nicht allein an den Verwertungsinteressen des Kapitals orientiert ist, sondern die Menschenbildung in den Vordergrund stellt, zur Lebenskunst gehört.

Heute kann man nur ein anständiges Leben führen, das auch tiefe innere Befriedigung ermöglicht, wenn man sich an der solidarischen Arbeit zur Veränderung der Gesellschaft beteiligt. Die gelungenen Schritte auf eine solidarische Gesellschaft jenseits des Kapitalismus hin können dann zu Quellen des Glücks werden.

 

Literatur zur Lebenskunst

- Otfried Höffe: Lebenskunst und Moral oder Macht Tugend glücklich? München 2007. (2)

Weiter Werke der Lebenskunst, auf die ich mich beziehe, werden mit Kurztitel und Seitenangabe zitiert:

- Wilhelm Schmid: Philosophie der Lebenskunst. Eine Grundlegung, Ffm. 1998.
- Michael Foucault: Ästhetik der Existenz. Schriften zur Lebenskunst. Hrsg. v. Daniel Defert und Francois Ewald unter Mitarbeit von Jacques Lagrange. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Martin Saar. Übersetzt von Michael Bischoff, Ulrike Bokelmann, Hans-Dieter Gondek und Hermann Kocyba, Ffm. 2007.
- Kritik der Lebenskunst. Hrsg. v. Wolfgang Kersting und Claus Langbehn, Ffm. 2007. (Darin vor allem: Ludger Heidbrink: Über die Grenzen der Selbstbestimmung, S. 261 – 286.)

Anmerkungen

  1. Theodor W. Adorno: Probleme der Moralphilosophie, Ffm. 1996, S. 248 f.
  2. Alle Seitenzahlen ohne weiter Angaben beziehen sich auf das Buch von Höffe (siehe Literaturliste).
  3. Bodo Gaßmann: Ethik des Widerstandes, Garbsen 2001.
  4. Vgl. zum Verhältnis von Kant und Hegel in der Moralphilosophie immer noch lesenswert: Pelzer, Roland: Studien über Hegels ethische Theoreme, in: Archiv für Philosophie. Hrsg. v. J. v. Kempski, Bd. 13 / 1 - 2, S. 3 - 49. Stuttgart 1964.
  5. Vgl. meine Analyse der moralischen Implikationen im Marxschen „Kapital“: Gaßmann: Kapital und Ethik, in: Erinnyen, Nr. 4, Garbsen 1989, S. 19-78.
  6. Gaßmann: Ethik des Widerstandes, Garbsen 2001, S. 157.
  7. Karl Marx: Das Kapital. Zur Kritik der politischen Ökonomie Bd. I, in:
    Marx – Engels – Werke (MEW), Bd. 23, Berlin 1966, S. 55.
  8. Gerhard Schweppenhäuser: Die ‚kommunikativ verflüssigte Moral’. Zur Diskursethik bei Habermas, in: Unkritische Theorie. Gegen Habermas, Lüneburg 1989, S. 129.
  9. Vgl. meine Kritik an Schelers Ontologie, in: Erinnyen Nr. 18, S. 24 ff. (Abschnitt 2.2.1. und 2.2.2.).
  10. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältnis zu den positiven Rechtswissenschaften, in: ders.: Jenaer Schriften 1801 - 1807. Theorie Werkausgabe Bd. 2, Ffm. 1977, S. 445.
  11. Vgl. zur Aggressionsproblematik, auf die sich auch Höffe beruft, die interdisziplinäre Kritik an dieser Ideologie: Plack, Arno (Hrsg.): Der Mythos vom Aggressionstrieb, München 1973.
  12. Kant: Anthropologie, in: Kant Werke Bd. 10. Schriften zur Anthropologie Geschichtsphilosophie Politik und Pädagogik. Darmstadt 1975, S. B 313 ff.
  13. Höffe zitiert Kants Aufsatz über Anthropologie in einem nebensächlichen Aspekt, um die Kritik an einer abstrakten Bestimmung der Natur des Menschen durch Kant zu entgehen und ihn sich einzuverleiben – entgegen der Textgrundlage, vgl. S. 47.
  14. Horkheimer, Max (1935): Bemerkungen zur philosophischen Anthropologie, in: Zeitschrift für Sozialforschung. Hrsg. v. Max Horkheimer. Jahrgang 4, Paris (dtv reprint 1980, München), S. 96 f.
  15. Vgl. meine Kritik an Scheler Kriegsapologie, in: Erinnyen Nr. 18, S. 48 ff. (Abschnitt 2.8.4.).
  16. Herbert Marcuse: Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären    Staatsauffassung, in: Faschismus und Kapitalismus. Theorien über die sozialen Ursprünge und die Funktion des Faschismus. Hrsg. v. Wolfgang Abendroth. Eingeleitet von Rüdiger Griepenburg, Jörg Kammler und Kurt Kliem, Ffm. 1974, S. 41.
  17. Die Weisheitsbücher der Ägypter. Lehren für das Leben. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Hellmut Brunner, Zürich und München, 1991, S. 114.
  18. A.a.O., S. 19.
  19. A.a.O., S. 21 f.
  20. Sophokles: Antigone, Stuttgart 1977, S. 16 (Reclam 659)
  21. A.a.O., S. 21.
  22. Demokrit: Fragmente zur Ethik, Stuttgart 1996, S. 111 (Reclam 9435)
  23. A.a.O., S. 113.
  24. A.a.O., S. 111.
  25. A.a.O., S. 113.
  26. Karl Marx: Das Kapital Bd. III, in: MEW Bd. 25, S. 254.
  27. Unkritische Theorie. Gegen Habermas. Hrsg. von Gerhard Bolte. Beiträge
    von Christoph Türcke, Rolf Johannes, Ulrich Sonnemann, Heide Berndt,
    Hans-Ernst Schiller, Gerhard Schweppenhäuser, Lüneburg 1989.
  28. A.a.O., S. 140.
  29. Vgl. Gaßmann: Glück, in: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und
    Wissenschaften. Hrsg. v. Hans Jörg Sandkühler, Band 2, Hamburg 1990,
     S. 470 – 473, das Hegelzitat ist ebenfalls dort ausgewiesen.
  30. Karl Marx: Das Kapital. Zur Kritik der politischen Ökonomie, in:
     Marx – Engels – Werke (MEW), Bd. 23, Berlin 1966, S. 201.
  31. Zitiert nach Gaßmann: Glück, a.a.O., S. 471 f.
  32. Gaßmann: Glück, a.a.O., S. 473.
  33. Hegel: Phänomenologie des Geistes, Ffm. 1980, S. 283.
  34. A.a.O.
  35. Marx/Engels: Das Kommunistische Manifest, MEW Bd. 4 S. 482.
  36. Adorno: Vermischte Schriften I/II: Über Technik und Humanismus.
    Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 20.1, S. 315-316.

 

 

 

 

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